Der Auerhahn, der schaut mich sauer an

Schlecht drauf heute? Sollte es im „entspannten Refugium“ gar nicht geben.
Schlecht drauf heute? Sollte es im „entspannten Refugium“ gar nicht geben.(c) Werk
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Nach Sprachsteuerung will schon die nächste Technologie im Auto mitfahren: Gesichtserkennung.

Wenn man Käfer fuhr und es einem fröstelte, zog man an einem kleinen Hebelchen links von der Handbremse. Dieses öffnete eine Klappe, durch die heiße Luft, von der der luftgekühlte Boxer eine Menge produzierte, aus dem rückwärtigen Motorraum in den Fußraum strömte. Oben blieb es meist kalt, unten schmolz bald die Sohle von den Schuhen. Es war eine noch sehr analoge Art, sich aufzuwärmen.

Seit einiger Zeit reicht es, die gewünschte Temperatur zu wählen, und die Klimaautomatik erledigt den Rest, in Variante Vierzonenklima für jeden Sitzplatz separat geregelt.

Hat man dieser Tage eine schlaue Sprachassistenz an Bord, lässt man einfach wissen: „Mir ist kalt“, und schon wird die Temperatur hinaufgesetzt, werden Sitz- und Lenkradheizung aktiviert.


Biometrisch. Auch das wird bald Steinzeit sein: Dank Gesichtserkennung braucht man künftig gar nichts mehr zu sagen. Es reicht, wie man dreinschaut, um die im Auto zur Verfügung stehenden Parameter beeinflussen zu können. Mittels kamerabasierter Systeme und anderer biometrischer Sensoren im Cockpit weiß der Computer besser, wie es uns geht, als wir selbst.

Den Startschuss für die Technologie hat Jaguar Land Rover (JLR) gegeben. Der englische Hersteller forscht seit geraumer Zeit daran, wie sich aus dem fahrbaren Raum ein „entspanntes Refugium“ schaffen lässt. Während sich Spracherkennung gerade als Standard etabliert, soll Gesichtserkennung noch viel weiter führen. In China ersetzt sie die Eingabe von Codes und wird bereits massenweise zur Überprüfung der Identität im Alltag verwendet; was Polizei und Geheimdienste damit alles anstellen, ist nicht offiziell. Denn biometrische Daten, die aus unserer Mimik herausgelesen werden, erlauben wesentlich mehr. Mühelos detektieren sie beispielsweise Stress und Anspannung, weshalb man vermutet, dass Anwendungen als Lügendetektor im Einsatz sind.

„Dank dieser Technologien wird die Stimmung des Piloten anhand seines bzw. ihres Gesichtsausdrucks ständig überwacht und eingeschätzt“, heißt es bei JLR, „sollte sich die Mimik ändern, passt das System verschiedene Fahrzeugeinstellungen automatisch an, beispielsweise Heizung, Lüftung und Klimatisierung, Medieneinstellungen oder die Ambiente-Innenraumbeleuchtung.“ Schaut der Fahrer sauer drein, heitert vielleicht das Lieblingsstück oder ein Witz die Stimmung auf. Wirkt er müde, wechselt der Sender, geht die Temperatur runter. Selbst kleinste Änderungen in der Fahrermimik würden erkannt und „für Anpassungen des Komforts“ genutzt.

Doch genauso gut könnte das System eine Beeinträchtigung durch Drogen oder Alkohol feststellen und dann den Startvorgang verweigern. Und vielleicht macht es uns auf ein vorliegendes Hupverbot aufmerksam, wenn wir gerade dabei sind, aus Zorn auf die Hupe zu dreschen. Wann JLR das System einführt, wurde nicht verraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2019)

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