Stadtbild: Gestaltung? Design? Wozu? Stadt ist das, was übrig bleibt!

(C) Wolfgang Freitag
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Wien, wie es wird: ein mysteriöses Steingeviert in der Donaustadt und seine Geschichte.

Es ist ja nicht so, dass die Gestalt, in der uns Wien entgegentritt, ganz und gar geheimnislos wäre. Wie da manch eines zum anderen kommt, was da aus dem Boden wächst und warum, das entzieht sich mitunter der Einsicht selbst der Kundigsten. Wobei dieser Umstand, für sich genommen, noch nicht notwendigerweise der Stadt zum Nachteil gereichen müsste – worüber ließe sich kurzweiliger spekulieren als über das Unbegreifliche.

Gelegenheit dazu findet sich im Bezirk Donaustadt beispielsweise in der Prandaugasse, zwischen Bezirkspolizeikommissariat, Finanzamt, Bezirksgericht und AMS. Dort sieht sich der Fußgänger ziemlich unvermittelt mit einem mirakulösen Geviert konfrontiert, innen kleinteilig gepflastert, rundum von einem Steinband eingefasst, das sich der Höhe nach zum Sitzen eignen könnte, würde nicht schon allein das Material jene kalte Unbequemlichkeit signalisieren, die jeden Gedanken, sich hier ausruhen zu wollen, von vornherein erübrigt.

Was mag wohl der Zweck dieses – wie sag ich's bloß? – Irgendetwas sein? Handelt es sich um eine Stolperfalle für Smartphone-fixierte Passanten? Eine Sandkiste für die Beamtenschaft umliegender Institutionen? Einen Landeplatz für Aliens?

Nichts von alledem, werden hiesige Zyniker versichern, schließlich setze all das ein Mindestmaß an absichtsvoller Planung voraus. Und tatsächlich kann davon im gegenständlichen Fall keine Rede sein. Es hat sich nämlich irgendwie so ergeben. Ortskundige erkennen in dem Steingeviert einen Restbestand – Überbleibsel eines einst aufwendig gestalteten Brunnenkonstrukts, das man über Jahre in beschämender Lieblosigkeit verkommen ließ, um kürzlich die letzten Fragmente endgültig zu beseitigen.

Wien, wie es wird: Stadt ist das, was übrig bleibt.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2019)

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