Die neue Verbotsgesellschaft

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2008 nahm den Österreichern „Freiheiten“: Die ÖBB strafen Raucher, Wiens „Waste Watcher“ disziplinlose Hundehalter und Behörden den Alkoholverkauf an Jugendliche. Kommt nun das Aus für Handys in der Straßenbahn?

Handy-verbot. „Lärm“, meint der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) am Donnerstag, „ist neben Abgasen eine von zwei Geißeln der Menschheit“. Deshalb unternimmt der Stadtchef einen Vorstoß, der österreichweit für Aufregung sorgt: Handy-Verbot in öffentlichen Verkehrsmitteln. „Früher hatte man in Bussen und Straßenbahnen Gelegenheit sich zu erholen und eine Zeitung zu lesen. Heute hat man einen telefonierenden Menschen im Genick“, meint Nagl.

Die Praxis ist jedem Städter bekannt: In der ersten Reihe bespricht eine 16-Jährige lautstark ihre Liebesprobleme; in der hintersten fragt ein 50-Jähriger, was es denn heute zu essen gibt; und die Frau am Nebensitz erzählt ihrem Mann, dass sie gerade in der Straßenbahn sitzt.

Unklar ist, wie die Mobiltelefone zum Schweigen gebracht werden sollen. Eben das wird derzeit geprüft. Überlegt wird unter anderem eine Art Störsender, damit die Geräte nicht mehr funktionieren.

Verbot in Wien „absolut kein Thema“

In Wien ist ein Handy-Verbot in öffentlichen Verkehrsmitteln „absolut kein Thema“. Dort wurden vor einiger Zeit sogar die U-Bahnen fit fürs Handy gemacht. „Beschwerden gibt es aber“, meint Wiener Linien-Sprecher Johann Ehrengruben: „Es bleibt jedoch eine Frage der persönlichen Kultur.“ Man könne sich auch mit dem Sitznachbarn so laut unterhalten, dass es stört.

Um nochmals bei Nagls Metapher zu bleiben: Während sie einerorts verboten wird, erobert die „Geißel der Menschheit“ wo anders einen der letzten geschützten Räume, das Flugzeug. Die EU plant, das Telefonieren an Bord zu erlauben; über eine spezielles Handy-Netz.

Mehrere Fluglinien, darunter eine britische, wollen noch heuer ein derartiges Service anbieten; die Fluglinie Emirates hat es bereits in speziellen Maschinen. Heimische Airlines dagegen wollen das Mobiltelefonieren nicht an Bord: Niki, Air Berlin und AUA schließen sich der Lufthansa mit einem Handy-Boykott an.


Alkohol-Verkaufsverbot. Neben der öffentlichen Aufregung hatte die seit einem Jahr geführte Debatte über Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen („Komatrinken“) vor allem für die Wirtschaft Konsequenzen: Mit der Novelle der Gewerbeordnung Ende Jänner wurde auch in Supermärkten und auf Tankstellen der Verkauf von Alkohol an Jugendliche verboten – was vorher nur für Wirte galt. Die Strafen für Verstöße schnellten empfindlich in die Höhe, nämlich auf 180 bis 3600 Euro. Im Wiederholungsfall droht der Konzessionsentzug.

Einzig: Die von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und per Erlass von den Landeshauptleuten eingeforderte „verstärkte Kontrolle“ dieser Vorschriften gestaltet sich schwierig. Den dafür zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden fehlt nämlich schlichtweg das Personal. „Deshalb konnten wir diese Forderung auch bisher noch nicht umsetzen“, sagt Andreas Riemer, Bezirkshauptmann von Tulln. Dementsprechend seien ihm, Riemer, auch noch keinerlei Anzeigen gemäß der Verordnungsnovelle bekannt. Man sei aber in Gesprächen mit der Exekutive, der Anordnung des Ministers Folge zu leisten.

Der wiederum wünscht sich, dass die Behörden mit eiserner Hand durchgreifen und sich wenn möglich an der Höchststrafe orientieren. Im Erlass heißt es wörtlich: „Der Strafrahmen [..] sollte entsprechend ausgeschöpft werden, um dadurch die intendierte abschreckende Wirkung zu erzielen.“

In der Zwischenzeit hat man in Wien die Erfahrung gemacht, „dass zumindest die Lebensmittelbranche die Sache sehr ernst nimmt“, sagt Franz Kopecky vom Marktamt. „Wir haben bemerkt, dass im Zweifel über das Alter der Kunden immer häufiger der Ausweis verlangt wird.“

Da zu diesem Zweck immer wieder gefälschte Schülerausweise vorgelegt werden, hatte im Sommer 2007 Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky über die Einführung fälschungssicherer Jugendausweise nachgedacht. Was daraus wurde? „Das Projekt ist konkret im Werden“, heißt es in ihrem Büro.


WEgwerf-Verbot. Die 50-köpfige Wiener Müllpolizei namens „Waste Watchers“ hat zu Ostern damit begonnen, bei Verstößen gegen das Reinhaltegesetz zu strafen. Seit dem Dienstantritt der Müllpolizei im Februar wurden bis Ende März 345 Vorfälle registriert: 200 Ermahnungen, 90 Organstrafmandate, 55 Anzeigen.

„Künftig werden die Mandate und Anzeigen zunehmen“, glaubt Roland Kolb, zuständiger Referatsleiter der MA 48. Mandate kosten 36 Euro. Sie werden ausgestellt, wenn jemand das Einkaufswagerl stehen lässt oder es verabsäumt, die Hinterlassenschaften seines Hundes vom Gehsteig zu entfernen.

Anzeigen hingegen werden mit bis 2000 Euro geahndet. Dann nämlich, „wenn Betroffene uneinsichtig sind, sie ihren Ausweis nicht zeigen oder die Verunreinigung nicht beseitigen“, erklärt Kolb.

Bisher wurden die meisten Mandate wegen abgestellter Einkaufswagerl verteilt, bei den Anzeigen überwiegt der Sperrmüll. Hundekotbedingte Mandate gab es bis Ende März 16, fünf Anzeigen wurden ausgestellt.

Nachts auf der Lauer

Um das illegale Abladen von Kühlschränken oder Waschmaschinen vor Altstoff-Inseln und Misplätzen zu verhindern, legen sich die „Waste Watchers“ auch in den Abendstunden auf die Lauer. Schwieriger ist das Erwischen von Gesetzesbrechern auf „wilden“ Müllplätzen am Stadtrand.

Dabei kennt die MA48 ihre speziellen Sorgenkinder ganz genau. In bestimmten Grätzeln der Leopoldstadt, in Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring, Floridsdorf und Donaustadt gäbe es „sehr große Verunreinigungen“, sagt Kolb, der die „Waste Watchers“ als ein Langzeitprojekt betrachtet. Schließlich könne man die Müll-Kultur der Wiener nicht von einen Tag auf den anderen ändern. „Nur wenn ständig kontrolliert wird, kann man nachhaltig Sauberkeit erreichen“, ist seine Philosophie.

Ein Umdenken sei schon zu spüren, etwa beim Hundekot. „Die Leute verwenden die Sackerl, auch wenn sie keine Beamten sehen.“

Die uniformierten und damit hauptberuflichen „Waste Watcher“ stellen jedoch nur einen geringen Anteil der gesamten Truppe. Die meisten Müll-Kontrolleure beobachten die Wiener quasi „undercover“. Im Hauptberuf bei der Müllabfuhr oder in der Verwaltung tätig, sind sie vom Magistrat ermächtigt, Übeltäter zu strafen. Ab nächstem Jahr sollen auch Mitarbeiter anderer Magistratsabteilungen zu nebenberuflichen Müllpolizisten ausgebildet werden.

Die Schulung zum „Waste Watcher“ dauert nur einen Tag. „Nicht alle Mitarbeiter werden angenommen“, erklärt Kolb. „Nur solche, die geeignet sind im Kundenkontakt.“ Provisionen für überführte Täter oder sonstige Zulagen gibt es keine. Kolb: „Wir wollen keine Straftruppe.“ Die Motivation seiner Mitarbeiter sei einfach: „Eine saubere Stadt“.

Rauch-Verbot.
Das Rauchen im Speisewagen des Eurocity von Salzburg nach Wien ist teuer. 40 Euro kostet einer jungen Frau der Zug an der Zigarette: Seit 1. September vergangenen Jahres sind alle Fernverkehrszüge der ÖBB rauchfrei – aus dem Nahverkehr ist der blaue Dunst schon seit Jahren verbannt.

Nach einer halbjährigen „Anlaufphase“ verhängen die Bundesbahnen jetzt erstmals Strafen. „Es geht uns dabei aber nicht ums Geld“, behauptet ÖBB-Sprecherin Katja Blum. Bisher hätten die Zugbegleiter rauchende Passagiere vor allem ermahnt, aber bei beständiger Weigerung seien eben Strafen notwendig.

Diese dürfen die Zugbegleiter gleich an Ort und Stelle einheben, weil das Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG) die ÖBB ermächtigt, im Rahmen ihrer Tarifbestimmungen einen „Beitrag“ für jene Leute festzulegen, die in als Nichtraucher deklarierten Zügen rauchen. Und das sind inzwischen ausnahmslos alle.

Rauchen am Bahnhof kostet 40 Euro

Auf Österreichs Bahnhöfen darf dem Tabak-Laster ebenfalls nur mehr punktuell gefrönt werden: Wer außerhalb der markierten Zonen raucht, leistet seit Jänner 2006 auch hier einen „Beitrag“ in Höhe von 40 Euro. Diese Strafe haben die ÖBB inzwischen rund 240mal eingehoben.

„Das geht schon in Ordnung so“ sagt Raucher und Bahn-Vielfahrer Wolfgang Karner. „Ich habe mich damit abgefunden, weil seit der Einführung des Rauchverbots die Reinlichkeit in den Zügen zugenommen hat.“ Zu diesem Zweck hält er auch Strafen für gerechtfertigt.

Insgesamt hätten die Fahrgäste die Entscheidung der ÖBB, die Züge komplett auf Nichtraucher-Betrieb umzustellen, gut akzeptiert, erklärt Bahn-Sprecherin Blum. In den sechs Monaten seit der Einführung des Rauchverbots in den Zügen sind insgesamt nur 160 Beschwerden eingegangen – nicht einmal ein Zehntel der rund 400 Beschwerden, die die ÖBB monatlich aufnehmen. Auch Umsatzeinbußen infolge des Rauchverbots seien ausgeblieben: seit September sei sogar eine ein- bis zweiprozentige Steigerung bei der Zahl der Fahrgäste zu verbuchen.

„Aber ganz so gemütlich wie früher ist es nicht mehr“, kritisiert ÖBB-Kunde (und Raucher) Alfred Heindl. Das Reisen in den Raucherabteilen sei kommunikativer und geselliger gewesen, erinnert er sich wehmütig zurück. Trotzdem legt er Wert auf die Feststellung, keiner der militanten Raucher zu sein, die sich gegen das Verbot wehren.

Heike Schüler hingegen zählt sich ausdrücklich zu dieser Gruppe. „Mit Service am Kunden hat das nichts mehr zu tun – wir zahlen doch auch so wie alle anderen, und dann müssen wir uns zum Rauchen am Klo verstecken.“ Was ebenfalls verboten ist – und 40 Euro kostet.

AUF EINEN BLICK

Der Grazer Bürgermeister will künftig ein Verbot von Handys in öffentlichen Verkehrsmitteln durchsetzen.

Wien straft seit Ostern disziplinlose Hundehalter und andere Müll-Sünder.

Supermärkten, die Alkohol an Jugendliche verkaufen, drohen ab sofort hohe Strafen.

Die ÖBB strafen ab sofort Verstöße gegen das Rauchverbot in Zügen und Bahnhöfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2008)


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