Stadtflucht

Gipfelsturm im Zickzack

Für Wiener Verhältnisse ist der Leopoldsberg im Norden von Wien kein Hügel, sondern, ja, ein Berg, eine letzte Auffaltung der Alpen von 425 Metern Höhe vor der Donau und der großen Ebene.
Für Wiener Verhältnisse ist der Leopoldsberg im Norden von Wien kein Hügel, sondern, ja, ein Berg, eine letzte Auffaltung der Alpen von 425 Metern Höhe vor der Donau und der großen Ebene.(c) Clemens Fabry
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Immer dasselbe zu Weihnachten: voller Bauch, Motivation im Keller. Zum Kalorienabbau eine kurze Strecke: Nasenwegs auf den Leopoldsberg. ?

Eine Warnung vorab: Der Nasenweg auf den Leopoldsberg schenkt dem Stadtwanderer nichts, denn so steil er beginnt, so steil führt er durchgängig nach oben, zum Teil mittels Stufen (mehr als 300). Man braucht sich keine Hoffnungen zu machen, dass zwischendrin ein flacheres Stück auftaucht, um die Puste zurückerlangen zu können. Aber dafür wurden offensichtlich Bänke in einigen der zwölf Kehren aufgestellt.

Für Wiener Verhältnisse ist der Leopoldsberg im Norden von Wien kein Hügel, sondern, ja, ein Berg, eine letzte Auffaltung der Alpen von 425 Metern Höhe vor der Donau und der großen Ebene. Das macht ihn geografisch so besonders. Auch geschichtlich hat ihn seine neuralgische Lage in brenzlige Situationen gebracht. Und es mag auch verwirren, dass der Leopoldsberg bis 1693 Kahlenberg hieß und seinen Namen dann an den einst als Sauberg bezeichneten Nachbargipfel abtrat, während das ihm zu Füßen liegende Kahlenbergerdörfl beim eigentlichen Namen blieb.

Kulturgeschichtlich ist auch der Nasenweg relevant, denn es war ein kleines Kunststück, ihn anno 1800 an der abschüssigsten Flanke des Leopoldsbergs zu befestigen. Ursprünglich diente er als Jagdsteig für den Feldmarschall Joseph de Ligne, den Bewohner der Burg auf dem Gipfelplateau. Sein Ausbau zum „Promenadenweg“ erfolgte im Auftrag des honorigen Österreichischen Touristenklubs (ÖTK) im Jahr 1877. Auch seine Trassenführung vom Kahlenbergerdorf herauf änderte sich über die Jahre ein wenig: 1926 und dann 1936 (nach dem Bau der Höhenstraße). Damals wurden mehrere Aussichtspunkte errichtet, von denen man heute noch, eingerahmt von Bäumen, einen traumhaften Ausblick über die Donau, Klosterneuburg, den Bisamberg (mit dem der Leopoldsberg die „Wiener Pforte“ bildet) und das ins Weinviertel übergehende Wiener Flachland hat. Das größte Bauwerk auf dem 1,5 Kilometer langen Weg ist eine vorspringende Aussichtskanzel, ein sogenannter Ravelin.

Der Nasenweg ist Abschnitt eines der Stadtwanderwege, diesem Netzwerk an Routen, auf denen sich ganz Wien umwandern lässt. Als Nummer „1a“ stellt er den Wanderer-Spaziergänger gleich vor eine der größten Herausforderungen. Doch so ein Streif-artiges Gefälle hat auch etwas Gutes: Mit einiger Fitness und ohne Bankerlrast überwindet man die 250 Höhenmeter ganz zügig im Zickzack und kann dann oben mehr oder weniger eben dahinwandern, wenn nicht die Route über die Höhenrücken des Wienerwaldes stark verlängern.

Wobei der Begriff wandeln vielleicht besser passt: Der Nasenweg ist nämlich asphaltiert und wird durch ein Geländer gesichert, sodass ihn Promenierer und Sonntagsfußgänger in Halbschuhen genauso benützen wie Läufer zum Training, Vierbeiner mit Zweibeinern im Schlepptau oder Kleinguppen mit Nordic-Wanderstecken.

Ruhige Rast

Oben auf dem Leopoldsberg ärgerten sich viele Besucher über den Verfall der Befestigungsanlage aus der Zeit der Babenberger, und noch mehr darüber, dass diese mehr als zehn Jahre lang abgesperrt war. Mittlerweile ist das weitläufige Areal rund um die Kirche durch den Wiener Architekten Alexander Serda saniert worden. Er hatte die seit 1787 im Besitz des Stifts Klosterneuburg befindliche Anlage vor einigen Jahren gepachtet, und es brauchte wiederum einige Zeit, bis die Revitalisierung umgesetzt werden konnte („Die Presse“ berichtete). Mit dem Resultat, dass das befestigte Leopoldsberg-Plateau nunmehr ein ruhiger, schön gestalteter und geschichtsträchtiger Ort ist. Und ein deutlicher Kontrapunkt zum stark frequentierten Kahlenberg.

Gastronomisch ist der Wanderer zwischen Nasenweg-Tal und Leopoldsberggipfel auf sich gestellt – sofern er nicht gleich im Kahlenbergerdorf beim Heurigen einkehrt und von Achterl zu Achterl bemerkt, wie ihm die Lust auf den Aufstieg schwindet. Oben angekommen wiederum stellt sich ihm die Frage, ob er sich – ein paar Schritte weiter – in der Infrastruktur des Kahlenbergs bedienen und sich unter Touristen und Hotelgäste mischen mag.

Im idyllischen und ursprünglich gebliebenen Kahlenbergerdorf schließt sich jedenfalls der Kreis dieser abwechslungsreichen Route. Vom Leopoldsberg geht's zuerst noch ein Stückerl Richtung Kahlenberg, zum Waldseilpark und zur Josefinenhütte und dann wieder hinunter. Die schnellste Variante verläuft über den Waldbachsteig, wo einem nicht viele Menschen begegnen und hohe Bäume das Gefühl vermitteln, fern der Stadt zu sein. Eine längere Schleife verläuft über die Eisernenhandgasse beziehungsweise über ein Stück Kahlenberger Straße und dann am Jungherrnsteig. Pressiert die Zeit nicht, nimmt man auf diesem Rückmarsch noch ein paar Heurige mit. Und schießt man dort kalorisch übers Ziel hinaus – na dann marschiert man den Nasenweg bei der nächsten Gelegenheit halt wieder hinauf. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2018)

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