„Am Hochkar war es wie in Sibirien“

Das Hochkar, aufgenommen am Sonntag.
Das Hochkar, aufgenommen am Sonntag.APA/AFP/ALEX HALADA
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Das niederösterreichische Skigebiet Hochkar wurde evakuiert und von der Außenwelt abgeschnitten. Nun wird geschaufelt – und gehofft, dass auch die Gäste bald zurückkehren.

Göstling/Wien. „Heute ist Bilderbuchwetter“, beschreibt Elfriede Kronsteiner am Mittwoch die Lage. Aber der Nachsatz der Hotelwirtin wiegt schwer: „Bis vor Kurzem war es am Hochkar wie in Sibirien“, sagt sie der „Presse“ am Telefon.

Die Schneemassen, die seit zwei Wochen ganz Österreich in Schach halten, haben das kleine Skigebiet im Süden Niederösterreichs ganz besonders getroffen. Vor genau einer Woche ist das gesamte Hochkar zum Katastrophengebiet erklärt worden, die Hotels und Hütten versanken immer mehr in Schnee, die Alpenstraße, einzige Zufahrt zu dem malerischen Skidorf, wurde gesperrt. Nur vereinzelt konnten Einsatzkräfte in das Gebiet vordringen. Genau eine Woche lang hat Kronsteiner auch ihren Mann nicht mehr gesehen, der gemeinsam mit dem Sohn des Ehepaars oben geblieben ist, um nach dem Familienbetrieb, dem Dreisterngasthof Hochkarhof, zu sehen.

„Gäste gibt es schon länger nicht mehr“, erzählt Kronsteiner. Die letzten mussten bereits am 7. Jänner den Hochkar-Talboden verlassen, gemeinsam mit den meisten Bewohnern und Angestellten der Betriebe. Auch die Lifte stehen seitdem still.

Nur wenige Gastwirte sind vor Ort geblieben, um, wie Kronsteiner sagt, „permanent zu schaufeln“ und so gut es geht Dächer und Balkone vom immer wiederkehrenden Schnee zu befreien. Sie haben auch die 180 Feuerwehrleute und Bundesheersoldaten versorgt, die seit Montag in dem Skigebiet festsaßen, als die Alpenstraße erneut gesperrt werden musste.

Erst am Mittwoch konnten Einsatzkräfte, nachdem sie bis drei Uhr früh auf der Straße Schnee geräumt hatten, wieder zum Hochkar-Talboden hinauf, um die Kollegen abzulösen. „Es geht allen gut, sie waren gut gelaunt, hatten genug zu essen“, erklärte Franz Resperger, Sprecher der niederösterreichischen Feuerwehr, am Mittwoch. Drei Katastrophenzüge der Feuerwehr mit 200 Einsatzkräften seien mit fünf „Teleladern“, speziellen Schneebaggern, und einem Notstromaggregat ans Hochkar geschickt worden. „Es wird geschaufelt“, sagt auch Resperger. Wie lange es dauern wird, bis die Straße und alle Hotels zugänglich und die Liftanlagen freigelegt sind, ist schwer abzuschätzen, meint Resperger.

Die Situation entspannte sich am Mittwoch österreichweit leicht (im Bild Werfenweng), aber die Lawinengefahr bleibt hoch.
Die Situation entspannte sich am Mittwoch österreichweit leicht (im Bild Werfenweng), aber die Lawinengefahr bleibt hoch.REUTERS

„Skikurse abgesagt“

Wie groß die Verluste für ihren Gasthof sein werden, kann auch Kronsteiner noch nicht abschätzen. „Skikurse haben abgesagt, die, die bestellt haben, konnten nicht anreisen, und ob sie jetzt noch in Massen kommen werden?“ Die 50 Betten im Gasthof seien ausgebucht gewesen, nun stünden sie leer, während Rechnungen und Abgaben weiter bezahlt werden müssen. „Es fragt dich niemand, ob du Geschäft gehabt hast oder nicht“, sagt sie. Mit Einbußen rechnet sie „hundertprozentig“, „aber wir haben noch nicht gezählt“.

502 Hotelbetten gibt es am Hochkar. An Spitzentagen, also am Wochenende, und wenn die Sonne scheint, kommen bis zu 5000 Tagesgäste in das auch bei Wienern sehr beliebte Skigebiet. Mit Prognosen, mit wie viel Verlust durch das Schneechaos zu rechnen ist, halten sich die Hochkar-Bergbahnen zurück. Das, meint Edgar Pürstinger, der Sprecher der Liftgesellschaft, hänge vor allem davon ab, wann die Lifte wieder aufsperren können. In den Abendstunden des Mittwochs begann eine Krisensitzung der Lawinenkommission, der Kommandanten der Feuerwehr und des Bundesheers sowie der als Einsatzleiter fungierenden Bürgermeister der Gemeinde Göstling und eines Vertreters der Bergbahnen darüber, wann das Skigebiet wieder aufgesperrt werden kann. Dass es schon am Wochenende so weit sein kann, „wäre überraschend“, sagt Pürstinger. Allerdings: Nur die Straße auf das Hochkar liege im noch immer von Lawinen gefährdeten Gebiet, die Lifte selbst seien „nicht gefährdet“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)

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