Radweg am Wiener Getreidemarkt: Staus fehlen, Kritik bleibt

Staus gab es – zumindest in den ersten Tagen – am Getreidemarkt nicht.
Staus gab es – zumindest in den ersten Tagen – am Getreidemarkt nicht. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das umstrittenste Verkehrsprojekt des Sommers ist abgeschlossen. Dramatische Staus gab es in den ersten Tagen nicht. Der ÖAMTC erwartet aber, dass diese noch kommen.

Wien. Nagelneu liegt er brach, der frische Asphalt ist noch dunkel, die blauen Radembleme noch nicht von Reifenspuren durchzogen, schließlich fährt hier, zumindest bei einem Testbesuch, weit und breit niemand den neuen Radweg am Getreidemarkt hinauf in Richtung Mariahilfer Straße. Freie Fahrt, vielleicht hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass der Weg nun fertig ist, und schließlich war es bisher unmöglich, mit dem Rad den Getreidemarkt Richtung Norden zu fahren.

In der Gegenrichtung war das bestenfalls eine Mutprobe: Hier, in Richtung Naschmarkt, ersetzt nun ein neuer, baulich von der Straße getrennter Radweg den alten Radstreifen. Autos fahren in sicherer Distanz vorbei, sogar Eltern sieht man hier nun mit Kindern radeln. Das war zuvor undenkbar, endete die Highrisk-Strecke doch lange mitten im mehrspurigen Verkehr.

Das ist Geschichte, nun radelt man gemütlich vom Museumsquartier zum Naschmarkt, auch an diesem vorbei führt ein baulich getrennter Radweg, erst in der Rechten Wienzeile geht dieser in einen (rot eingefärbten) Mehrzweck-Streifen über. Sicherheitsgefühl? Unvergleichlich besser. Auch der Autoverkehr fließt zu Stoßzeiten wie zuvor – zumindest bei ein paar Testfahrten in den ersten Tagen.

Der Umbau am Getreidemarkt ist das umstrittenste Straßenverkehrsprojekt dieses Sommers. ÖAMTC, ÖVP und FPÖ hatten heftig gegen das Projekt protestiert. Schließlich wurde die Straße Richtung Naschmarkt dafür von zwei auf eine Spur reduziert, die Kritiker sprachen von einem programmierten Verkehrskollaps, politischer Schlagabtausch inklusive.

Staus ab November?

Nun ist das Projekt fertig, der Autoverkehr fließt, Ende gut, alles gut? Natürlich nicht. „Wir hatten erst einen echten Beobachtungstag, tatsächlich gab es teilweise schon Rückstaus bis zur Burggasse, bzw. am Dienstagnachmittag auch bis zur Josefstädter Straße“, sagt Bernhard Wiesinger, der Chef der Interessensvertretung im ÖAMTC. Mitunter seien Autos an der Kreuzung zur Mariahilfer Straße weit zurück gestanden – und dann nur schleppend vorangekommen. „Wir erwarten, dass die Staus noch kommen, vor allem im November und Dezember“. Schließlich sind erst seit Montag die Schulferien in Wien vorbei, der Verkehr erreicht erst wieder ein übliches Niveau.

Die neuralgische Zone, sagt er, sei der Bereich der Museumstraße, vor der Kreuzung zur Mariahilfer Straße, hier laufen drei Spuren auf eine zusammen. Am Getreidemarkt selbst sei der Verkehr dann flüssiger. Die Gegenrichtung sei weniger problematisch, hier verläuft parallel die Ringstraße.

Auch die ÖVP Wien bleibt bei ihrer Kritik: „Das wäre auch kosteneffizienter und mit Blick auf alle Verkehrsteilnehmer gegangen“, sagt Verkehrssprecher Manfred Juraczka und kritisiert eine „Politik der Nadelstiche“: Es gebe kaum Großprojekte, aber kleinere wie der Getreidemarkt würden den Autoverkehr sukzessive einschränken. Auch die Kosten stehen in der Kritik: Das Getreidemarkt-Projekt (neben den Radwegen wurde auf Höhe Lehargasse/Gauermanngasse eine Fußgängerquerung errichtet, der Fahrbahnbelag erneuert und zuvor neue Wasserrohre verlegt) hat 2,6 Mio. Euro gekostet.

Für die Radlobby Wien ist der Umbau ein Erfolg: Die Gefahrenstelle ist entschärft, mit Blick auf die Summe der Verkehrsteilnehmer sei der Getreidemarkt nun leistungsfähiger, weil diesen mehr (platzsparende) Radfahrer passieren können, so Infrastruktur-Sprecher Roland Romano. Auch durch die bessere Ampelschaltung laufe der Verkehr nun effizienter.

Projekte werden langsam fertig

Die langfristigen Folgen werden sich erst zeigen. Wie auch die der übrigen Radverkehrsprojekte, die in den kommenden Tagen fertig werden: Etwa der Lückenschluss im 18. Bezirk in der Gymnasiumstraße (Sternwartestraße bis Hasenauerstraße), der Lückenschluss inklusive Radfahren gegen die Einbahn im Abschnitt der Peter-Jordan-Straße von Linnéplatz bis (und in) Fahrtrichtung Billrothstraße im 19. Bezirk oder der Bau des baulich getrennten Radwegs zwischen Wattgasse und Gersthofer Straße im 17. und 18. Bezirk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2017)

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