Gericht

Klima-Demo: „Schläge, Tritte“ und ein Freispruch

KLIMAPROTEST: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHES OPFER VON POLIZEIGEWALT
KLIMAPROTEST: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHES OPFER VON POLIZEIGEWALT(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Der deutsche Student Simon F. (22) wurde vom Vorwurf des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt freigesprochen. Praktisch zeitgleich fand in Wien eine weitere Sitzblockade im Zeichen des Klimaschutzes statt.

Wien. Während am Montag im Wiener Straflandesgericht (8. Bezirk) ein Prozess gegen einen Klima-Demonstranten lief, fand in der Nähe gleich die nächste Klima-Demo statt. Am Anfang der Mariahilfer Straße und am Getreidemarkt blockierten Aktivisten des Klimaschutz-Bündnisses Extinction Rebellion die Fahrbahn.

Auch der Gerichtssaal selbst war übervoll: Aus Solidarität mit dem Beschuldigten hatten sich Dutzende junge Leute im Zuschauerraum eingefunden. Teils jene, die auch bei der Sitzblockade der Rings, nahe Urania, am 31. Mai mitgemacht hatten. Und damals in Sprechchören „Klima-Gerechtigkeit“ verlangt hatten.

Den Ausgang der von Richter Christian Noe umsichtig geleiteten Verhandlung quittierten die Zuseher mit Applaus: Der deutsche Politikwissenschafts-Student Simon F. (22) wurde vom Vorwurf des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt freigesprochen. „Aufgrund der Dringlichkeit der Klimakrise ist ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel“, erklärte F. der Staatsanwältin, die wissen wollte, für wie viele Stunden, die damalige Blockade angelegt worden sei. Zur Erheiterung des Publikums fügte er an: „Die Polizei hätte uns auch noch länger sitzen lassen können. Irgendwann wären wir schon gegangen. Wir wohnen da ja nicht.“

»Herrn F. gelang es durch seine tobende Art jegliche Fixierungsversuche zu verhindern.«

Aus einem Amtsvermerk der Wiener Polizei

Der Anklagevorwurf war gar nicht zum Schmunzeln: F. hatte „Schläge und Tritte“ gegen die Polizei zu verantworten. Beamte, die den Befehl bekommen hatten, die in blauen Overalls auf der Fahrbahn sitzenden Klima-Aktivisten wegzutragen, hatten dies später so zu Protokoll gegeben. Schon bei der ersten Verhandlung im Juli („Die Presse“ berichtete) hieß es, F. sei „sehr wild und sehr unberechenbar“ gewesen. Nun meinte ein Beamter als Zeuge (weil dieser Mann zuletzt verhindert gewesen war, musste der Prozess vertagt werden): „Er wollte Gewalt anwenden, es waren Schläge und Tritte, ich habe versucht, die Schläge zu blocken, dann ist es gelungen ihn in Bauchlage zu bringen.“ Der Beamte gestand zu, dass F. nicht gezielt, sondern „unkoordiniert“ ausgeschlagen habe. Der Student habe nicht vorgehabt, bestimmte Beamte zu verletzten. Letztlich war es F. selbst, der eine blutende Kopfwunde erlitten hatte. Insgesamt waren im Anschluss an die Sitzblockade 95 Aktivisten vorübergehend festgenommen worden. Ein Gutteil von ihnen ließ sich ohne Probleme wegtragen. Dies zeigen private Videos und auch Beweissicherungsvideos der Polizei.

Auch schwere Vorwürfe gegen die Beamten waren laut geworden, so sieht man auf Videos zwei aus dem Ruder geratene Amtshandlungen: In einem Fall sieht man einen Mann, der in Bauchlage am Boden fixiert wird – und so zu liegen kommt, dass sich sein Kopf unter einem Polizeibus befindet.

Im anderen Fall wird ein Aktivist von mehreren Uniformierten am Boden fixiert. Weil es nicht gelingt, die Hände des Mannes am Rücken zu fesseln, versetzt ihm ein Beamter Faustschläge in die Nierengegend. Ebendieser Beamte sagte nun als der noch fehlende Zeuge aus. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung.
Letztlich wurde Simon F. eben (noch nicht rechtskräftig) freigesprochen. Der Richter meinte, von vorsätzlichen Widerstandshandlungen sei auf den verfügbaren Videos nichts zu sehen. Umgekehrt sei in diesem Fall auch die Polizei nicht unverhältnismäßig hart eingestiegen.

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