Wie gefährlich ist Pakistan für die Welt?

(c) EPA (Olivier Matthys)
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Terroristen und Atombomben: Pakistan gilt als Hochrisiko-Staat. Heute wird ein neuer Präsident gewählt. General Musharraf sieht sich als Alternative zum Chaos.

Ich oder das islamistische Chaos, ich oder Terror.“ Das ist die bevorzugte Pose des pakistanischen Staatschefs Pervez Musharraf. So zog er seit den Anschlägen vom 11. September zehn Milliarden Dollar amerikanischer Wirtschafts- und Militärhilfe an Land. Und so versucht er, sich auch in Pakistan den Nimbus absoluter Unersetzlichkeit zu verleihen. Am heutigen Samstag wird das Parlament Musharraf vermutlich als Präsident bestätigen. Obwohl der General nach seinem Putsch 1999 versprochen hatte, das oberste Amt im Staate nur vorübergehend auszuüben. Nach seiner Wiederwahl, das hat Musharraf angekündigt, will er die Uniform ablegen. Ein Zugeständnis, das ihm erst nach wochenlangen Protesten abgerungen wurde.

Musharraf, das Bollwerk: Tatsächlich orakeln Experten immer wieder, wie gefährlich nah an der Kippe Pakistan sei. Auf den ersten Blick hat das Land alle Ingredienzien für den ultimativen Alptraum: Islamisten, Terroristen und Atombomben. Doch wie gefährlich ist dieser Mix wirklich? Drei Szenarien, drei Antworten:

1Islamisten ergreifen die Macht in Islamabad

NEIN. Die Islamisten sind zwar in zwei von vier pakistanischen Provinzen an der Macht. Doch letztlich sind sie furchterregender, als es ihrer wahren Stärke entspricht. Bei den letzten Wahlen errangen islamistische Parteien gerade einmal elf Prozent. Sie nützten jedoch den Spielraum, den Musharraf eröffnete, als er die säkulare Opposition an die Wand drückte.

Terroristen haben bereits zwei Attentate auf Musharraf verübt. Zuletzt rief al-Qaida-Chef Bin Laden zum Jihad gegen den Präsidenten auf. Doch kippen können die Extremisten das System kaum. Dazu bräuchten sie die Hilfe von Teilen der Armee und die Unterstützung der Mittelschicht. Beide Kriterien sind derzeit nicht erfüllt.

2Atomwaffen fallen in die Hände von Extremisten

MÖGLICH. Nirgendwo muss man sich mehr Sorgen um die Weitergabe von Nukleartechnologie machen. Denn in Pakistan ist es bereits passiert. Der Vater der pakistanischen Atombombe A.Q. Khan zog einen Atombasar auf und versorgte Libyen, Iran sowie Nordkorea.

Pakistans Atombomben, so wird beteuert, sind sicher. Darüber wachen laut eigenen Angaben auch die USA. Doch niemand kann garantieren, ob es nicht undichte Stellen im Sicherheitsapparat gibt. Auch in Armee und Geheimdienst existieren islamistische Sympathisanten. Prominentestes Beispiel: Ex-Geheimdienstchef Gul.

3Pakistan kehrt zur Demokratie zurück

JA, ABER. Selbst wenn Musharraf den Generalsrock an den Nagel hängt: Die Armee ist aus dem politischen Prozess nicht wegzudenken. Das Machtgleichgewicht könnet sich sogar von Musharraf weg hin zum neuen Generalstabschef verlagern. Für die Armee steht viel auf dem Spiel: Die Militärs haben es sich an den Schalthebeln der Macht gemütlich gemacht. Mit zivilen – korrupten – Regierungen hat Pakistan bisher auch keine guten Erfahrungen gemacht. Von einer Rückkehr der Exil-Oppositionsführerin Benazir Bhutto ist nicht viel zu erwarten. Ihr Comeback begann mit einem unsauberen Deal. Die Ex-Premierministerin versprach Musharraf Stimmen bei der Präsidentenwahl im Austausch für Amnestie.

Hoffen lässt die pakistanische Zivilgesellschaft. Von ihr sind zuletzt beachtliche Impulse ausgegangen. In Demonstrationen, angeführt von Richtern und Anwälten, haben die Bürger Musharraf zu Abstrichen gezwungen. Das Ansehen der Armee hat gelitten. Sie könnte sich nun in die Kasernen zurückziehen, so wie sie das 1988 nach dem Tod des Militärdiktators Zia ul-Haq getan hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2007)

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