Putin: „Wir wollen gehört werden“

(c) AP (Vadim Ghirda)
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Nato-Gipfel: Russlands Staatsoberhaupt fordert in Bukarest Rücksicht auf die Interessen seines Landes.

BUKAREST. Der scheidende russische Präsident Wladimir Putin hat die westliche Allianz bei seinem gestrigen Auftritt in Bukarest zu mehr Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen gemahnt. Moskau sei auf vielen Feldern zur Kooperation berät, so seine Botschaft. Doch die Zusammenarbeit hänge auch von der Bereitschaft des Westens zum Kompromiss ab.

Wie ein Rockstar hatte der Stargast aus Moskau am letzten Tag des Nato-Gipfels die wartenden Chronisten im überfüllten Pressesaal des Bukarester Parlamentspalastes schmoren lassen. Schließlich brandete erleichtertes Raunen und selbst Beifall auf, als Wladimir Putin nach einer Stunde leichtfüßig und lässig die Treppe hinab zum Rednerpult tänzelte. „Offen und konstruktiv wie ein Business-Gespräch“ seien die Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs der Nato gewesen. „Keineswegs ein „Ping-Pong-Spiel gegenseitiger Schuldzuweisungen“, versicherte der Russe. Und auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sprach vom „positiven Geist“ des Treffens mit Putin.

Vor den Journalisten kam Putin dann aber ohne Umschweife auf die kritischen Punkte der keineswegs spannungsfreien Beziehungen Moskaus zur Nato zu sprechen. Seine Botschaft: Russland ist zur Zusammenarbeit mit der Nato bereit, doch erwartet es im Gegenzug Rücksicht oder zumindest Verständnis für seine eigenen Sicherheitsinteressen. Aus seinem Missfallen über die am Vortag ohne konkreten Zeitplan in Aussicht gestellte Nato- Mitgliedschaft für Georgien und Ukraine machte Putin kein Hehl. „Das Entstehen eines mächtigen Militärblocks an unseren Grenzen würde in Russland als direkte Bedrohung der Sicherheit des Landes betrachtet werden“, warnte er das Bündnis davor, immer näher an Russland heranzurücken. Als „Demokratisator“ sei die einst „gegen das Reich des Bösen errichtete“ Nato keineswegs zu verstehen, verwarf Putin spöttisch das Argument, dass der Beitritt zum Bündnis Nato-Anwärtern automatisch höhere demokratische Weihen verleihe.

Auch von den Versicherungen der Nato, dass etwaige Neu-Aufnahmen keineswegs gegen Moskau gerichtet seien, zeigte er sich unbeeindruckt: „Nationale Sicherheit wird nicht auf Versprechungen aufgebaut.“ Am selben Rednerpult hatte sich wenige Stunden zuvor sein ukrainischer Amtskollege Viktor Juschtschenko durchaus zufrieden über die Zusicherung einer vermutlich eher langfristigen Nato-Perspektive gezeigt. Die Ukraine sei ein souveräner Staat und habe das „volle Recht“ auf seine eigene Sicherheitspolitik. Doch er sei „kein naiver Politiker“ und wisse über die Notwendigkeit von Kompromissen: „Aber am wichtigsten ist, dass wir nun ein Ziel und eine klare Beitrittsperspektive haben.“ Neben der skeptisch beäugten Ost-Erweiterung des Bündnisses ist es vor allem das von den USA in Tschechien und Polen geplante Raketenabwehrsystem, das in Moskau auf Misstrauen stößt. Derartige Pläne vergrößerten weder das Vertrauen noch die Vorsehbarkeit in den Beziehungen zur Nato, warnte Putin, der am Wochenende in der Schwarzmeer-Metropole Sotschi mit US-Präsident George W. Bush über strategische sicherheitspolitische Fragen beraten will.

Kein Kalter Krieg

Kritik am angedrohten Ausstieg Russlands aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) wehrte Putin ab: „Wir sind bereit zum Vertrag zurückzukehren – erwarten aber Gegenseitigkeit.“

Auffällig locker und aufgeräumt gab Putin aber keineswegs nur den gestrengen Nato-Kritiker. „Lasst uns Freunde und offen sein,“ appellierte er für einen offenen Dialog zwischen Moskau und Brüssel. Nein, eine Rückkehr zum Kalten Krieg sei nicht möglich, an „der Rückkehr in die Vergangenheit“ habe keiner irgendein Interesse, beeilte er sich zu versichern: „Es gibt schließlich keine ideologischen Teilungen mehr, keine wichtigen Dinge mehr, die uns trennen.“ Die Zusammenarbeit mit der Nato sei für Russland in vielen Bereichen möglich. Doch deren Grad hänge auch von der Bereitschaft der Nato „zum Kompromiss“ ab: „Wir wollen, dass wir und unsere Positionen gehört werden.“ Ob er als künftiger Premier die Zuständigkeit für die Außenpolitik nicht vermissen werde, wollte eine russische Journalistin wissen. Nein, er könne es kaum erwarten, „diese Bürde auf die Schultern meines Nachfolgers zu legen,“ versicherte Putin lächelnd.

AUF EINEN BLICK

Russlands Präsident Wladimir Putin hat bei seinem Auftritt vor dem Nato- Russland-Rat in Bukarest seine Kritik an der Osterweiterung der Nato und am geplanten US-Raketenabwehrsystem erneuert, sich aber zugleich aber die Bereitschaft Moskaus zur Zusammenarbeit mit dem Bündnis unterstrichen. Heute trifft das russische Staatsoberhaupt US-Präsident George W. Bush in seiner Residenz im Schwarzmeer-Kurort Sotschi. Auf der Tagesordnung steht ein mögliches neues Abkommen zwischen Moskau und Washington über die strategischen Atomwaffenarsenale.

"Die Presse" Printausgabe vom 5. April 2008

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