Xinjiang: China droht Aufständigen mit Todesstrafe

(c) AP Photo (Eugene Hoshiko)
  • Drucken

China kündigt "schärfste Maßnahmen" an. Der KP-Chef der Provinzhauptstadt will die Verantwortlichen der Proteste hinrichten lassen. Chinas Präsident Hu Jintao bricht seine Teilnahme am G8-Gipfel ab.

Die chinesischen Behörden kündigten am Mittwoch "schärfste Maßnahmen" an, um die Lage in der Unruheprovinz Xinjiang unter Kontrolle zu bringen.

Die Verantwortlichen für die Unruhen müssen mit der Todesstrafe rechnen. Die Regierung werde die Rädelsführer vom Volk der Uiguren hinrichten lassen, erklärte der Chef der regionalen Kommunistischen Partei (KP), Li Zhi, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Urumqi. Es seien schon mehrere Personen festgenommen worden, die des Mordes beschuldigt würden. Die meisten von ihnen seien Studenten, sagte Li.

Ausgangssperre in Urumqi

In Urumqi, der Hauptstadt der Unruheprovinz, blieb es nach Verhängung einer Ausgangssperre über Nacht zunächst ruhig. Spezialeinheiten der Polizei hatten viele Hauptstraßen abgeriegelt, gepanzerte Militärfahrzeuge patrouillierten durch die Straßen.

Die chinesischen Sicherheitskräfte in Urumqi wurden mittlerweile massiv verstärkt, die Stadt ist inzwischen faktisch zweigeteilt. In den Stadtvierteln südlich der Straße des Volkes halten sich die Uiguren auf, nördlich davon die Han-Chinesen.

In Urumqi gingen am Mittwoch erneut rund 1000 Han-Chinesen zu Protesten auf die Straße. Bereitschaftspolizisten versuchten, einen Keil in die Menge der Demonstranten zu treiben. Es kam zu Handgemengen, als die Sicherheitskräfte Anführer aus der ohnehin schon nervösen Menschenmenge heraus festnahmen.

Exil-Uiguren befürchten 800 Tote

Bei den Krawallen waren offiziellen Angaben zufolge am Wochenende 156 Menschen ums Leben gekommen, seitdem ist die Lage äußerst angespannt. Der Verband der Exil-Uiguren sprach gar von 800 Toten.

Hintergrund

Die Uiguren sind eine muslimische Minderheit in Nordwestchina und fühlen sich von der Zentralregierung in Peking unterdrückt. In den vergangenen Jahren gab es vereinzelt Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und extremistischen Uiguren. Vorläufiger Höhepunkt waren im vergangenen Jahr Anschläge mutmaßlicher uigurischer Separatisten während der Olympischen Spiele. Die Vorfälle vom Sonntag und Montag sind der folgenschwerste Zwischenfall in der zentralasiatischen Provinz Xinjiang seit Jahrzehnten. Die Uiguren sind dort infolge der Ansiedlungspolitik Pekings in der Minderheit; ethnische Han-Chinesen stellen die Mehrheit der rund 2,3 Millionen Einwohner.

Die im Exil lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer wiederum schrieb am Mittwoch in einem Beitrag für die asiatische Ausgabe der Zeitung "Wall Street Journal", bei den Unruhen in Xinjiang seien rund 400 Uiguren ums Leben gekommen.

Kadeer verurteilte die "übertriebene Gewalt gegen Demonstranten" genauso wie die Übergriffe der Uiguren bei einer zunächst friedlichen Demonstration gegen den Tod zweier uigurischer Fabrikarbeiter am Wochenende. Peking wirft der Chefin des Uigurischen Weltkongresses vor, die Ausschreitungen angestiftet zu haben. Die Uiguren machen dagegen die chinesische Seite für die Gewalt verantwortlich.


Am Dienstag hatte es in Urumqi erneut Ausschreitungen gegeben. Die Polizei ging mit Tränengas gegen Han-Chinesen und muslimische und turksprachige Uiguren vor, die einander mit Steinen bewarfen. Tausende teils mit Messern und Eisenstangen bewaffneten Chinesen griffen Geschäfte von Uiguren an, um sich für die Übergriffe der Uiguren am Sonntag zu rächen.

Ob es bei den neuen Protesten Tote oder Verletzte gab, war zunächst unklar. Laut Xinhua wurden neben der nächtlichen Ausgangssperre in Urumqi vielerorts auch Internetverbindungen gekappt. Bisher nahm die Polizei laut Xinhua mehr als 1.400 Menschen fest. Rund 800 sollen verletzt worden sein.

Peking wirft im Exil lebenden Uiguren vor, hinter den Ausschreitungen zu stecken. Die Uiguren machen dagegen die chinesische Seite für die Gewalt verantwortlich. Seit Sonntag sin mehrere zehntausend Polizisten und Soldaten in der Provinz Xinjiang im Einsatz, um neue Unruhen zu verhindern.

Hu bricht Teilnahme an G8-Gipfel ab

Die Unruhen in Westchina haben auch Auswirkungen auf den G8-Gipfel in Italien: Angesichts der blutigen Unruhen in der von Uiguren bewohnten Region Xinjiang hat der chinesische Präsident Hu Jintao seine Teilnahme am Gipfel abgesagt. Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Mittwoch berichtete, brach Hu noch am Dienstagabend seine Reise ab und flog wieder nach China zurück.

EU mahnt zur Zurückhaltung

Die EU mahnte sowohl die Regierung in China wie auch andere Beteiligte an den Unruhen zu "Zurückhaltung" und friedlicher Konfliktlösung. In einer Erklärung der schwedischen Ratspräsidentschaft hieß es am Dienstag in Stockholm weiter, die EU sei "zutiefst besorgt" und spreche den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

Ausgelöst worden waren die Proteste vom Tod zweier uigurischer Fabrikarbeiter Ende Juni im Süden Chinas. Dabei waren Uiguren in einer großen Spielzeugfabrik in Shaoguan in Südchina von einem Mob angegriffen worden, nachdem Gerüchte aufgekommen waren, dass Angehörige der muslimischen Minderheit zwei Chinesinnen vergewaltigt hätten.

(Ag./Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Polizeieinsatz in Urumqi: Zwei Uiguren getötet

Neue blutige Zwischenfälle in der chinesischen Unruheregion Xinjian. Die zentrale Rechtsbehörde in Peking legt unterdessen Anwälten nahe, im Zusammenhang mit den Unruhen keine Fälle zu übernehmen.
Außenpolitik

Uiguren-Führerin fordert US-Unterstützung

Die im Exil lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer fordert Washington auf, ein Konsulat in Xinjiang zu eröffnen. Eine Woche nach Beginn der Unruhen herrscht gespannte Ruhe in der Unruheregion.
Soldaten
Außenpolitik

Unruhen in Xinjiang: "Ohne uns wären sie nichts"

Pekings Strategie, mit wirtschaftlichem Aufschwung Harmonie zwischen Uiguren und Han-Chinesen zu erzwingen, ist gescheitert. Jetzt greift der Staat zu neuer Repression und verschärft damit den Konflikt.
Außenpolitik

Pekings neue Offenheit: „Glasnost à la chinoise“?

In der Xinjiang-Krise testet China eine neue Informationspolitik – fürs Ausland, nicht den Hausgebrauch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.