Boom bei Spionage-Kameras

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Videoüberwachung. In Österreich gibt es 500 registrierte Anlagen. Und rund 199.500 illegale.

Die Österreicher sind leidenschaftliche Filmer. Einrichtungen zur Videoüberwachung boomen. So stieg die Zahl der im Datenverarbeitungsregister (DVR) gemeldeten Anlagen seit dem Vorjahr von 100 auf knapp 500. Tendenz weiter steigend.

Zum Vergleich: Die Polizei betreibt in ganz Österreich gerade einmal an 14 Standorten fixe Überwachungskameras. Die Systeme von Wiener Linien und ÖBB, die in Zügen und Stationen aufzeichnen, sind auf einige Hundert Kameras beschränkt. Zudem wurden diese Anlagen von den Behörden mit strengen Sicherheitsauflagen bedacht.

Die Zahl der gemeldeten Privatanlagen stellt jedoch nicht einmal die Spitze eines gigantischen Eisbergs dar. Experten schätzen die Zahl aller Systeme auf 200.000. Weil aber jede einzelne Kamera, die zum Zwecke der Personen-Identifizierung Bilder auf Band oder Festplatte speichert, laut Datenschutzgesetz (DSG) genehmigungspflichtig ist, spähen 199.500 elektronische Augen nicht legal.

Wirklich interessieren tut das kaum jemanden: Die Sensibilität für Eingriffe in die Grundrechte ist gering. Dabei kann sich theoretisch jeder Bürger an der Jagd auf „Schwarz“-Filmer beteiligen. Sobald eine Überwachungsanlage nicht im DVR (Anfragen kostenlos unter Tel. 01/53115/4043) aufscheint, kann sie bei der zuständigen Bezirksbehörde angezeigt werden. Die Strafen betragen bis zu 9445 Euro. Allerdings: Selbst Datenschützern sind nur sehr wenige ausjudizierte Verfahren bekannt.

„Videoüberwachung wird erst seit wenigen Jahren im großen Stil betrieben“, sagt Waltraud Kotschy, Leiterin der im Bundeskanzleramt angesiedelten Datenschutzkommission (DSK). Entsprechend rudimentär ausgeprägt seien sowohl das Unrechtsbewusstsein bei den Filmern, als auch das Problembewusstsein bei den Gefilmten. Die Ressourcen der DSK reichten einfach nicht aus, um sich – beispielsweise in den Villenvierteln der Vorstadt – auf die Suche nach illegalen Kameras zu machen.

Großes Missbrauchspotenzial

Das Argument der Gefilmten, „ich habe nichts verbrochen, ergo habe ich nichts zu verbergen“, wird in der Regel erst überdacht, wenn man durch die Überwachung in Bedrängnis gerät. Beispielsweise dann, wenn die eigene Frau ein anonymes E-Mail bekommt, das auf ein Video der Internet-Plattform youtube.com verlinkt, welches den Ehegatten beim Flirten im Eissalon mit einer unbekannten Schönen zeigt. Die Möglichkeiten solcher Systeme reichen von harmlosen Beleidigungen bis hin zur handfesten Erpressung.

Um die Rechtsunsicherheit privater Videoüberwachung einigermaßen in den Griff zu bekommen, haben sich SPÖ und ÖVP deren Regelung sogar ins Regierungsprogramm geschrieben. Ein Gesetzesentwurf ist in Ausarbeitung.

Kotschy wünscht sich für die Zukunft Systeme, bei denen die Überwacher nur dann Zugriff auf die Videos haben, wenn dies eine übergeordnete Stelle erlaubt und stichhaltige Gründe (etwa die Aufklärung eines Diebstahls) vorliegen. Entsprechend versiegelte Anlagen gibt es bereits am Markt. „Das würde das Missbrauchspotenzial senken und gleichzeitig eine Genehmigungspflicht für private Überwacher unnötig machen.“

Ebenfalls diffus geregelt ist, wie das Videomaterial weiterverwendet werden darf. So kann Beispielsweise ein Geschäftsbesitzer zur Aufklärung eines Diebstahl der Polizei von sich aus das Material übergeben, umgekehrt ist er jedoch nicht dazu verpflichtet, wenn die Polizei ihn dazu auffordert. Weiters müssen Betreiber von Überwachungsanlagen Kunden und Passanten ausdrücklich darüber informieren, dass sie gefilmt werden. Allerdings: Geschieht dies nicht, hat das vor Gericht kaum Konsequenzen. So wurde Saliera-Dieb Robert Mang durch eine nicht korrekt kundgemachte und registrierte Videokamera überführt, die ihn beim Handy-Kauf filmte.

Wer überwacht die Überwacher?

Das steigende Sicherheitsbedürfnis beschert der Wirtschaft gute Umsätze. „Nachfrage und Umsätze im Bereich Videoüberwachung steigen rasant“, sagt Christian Fischer, Geschäftsführer des Sicherheitsfachgeschäfts Security Land. Nachsatz: „Allerdings wissen die meisten Kunden nicht, dass sie sich in einem rechtlichen Graubereich bewegen.“

Vergleichsweise klare Regeln gibt es für die Videoüberwachung durch die Polizei (siehe Grafik). Jede Aktion muss von einem Richter genehmigt und von einem unabhängigen Rechtsschutzbeauftragen begleitet werden. „Wir achten sehr genau darauf, dass die Datenschutzrechte unschuldiger Dritter bei Überwachungsaktionen nicht verletzt werden“, sagt Theodor Thanner, Rechtsschutzbeauftragter des Innenministeriums. Zuletzt war Thanner in jene Abhöraktion mit eingebunden, die zur Überführung der mutmaßlichen al-Qaida-Sympathisanten in Wien führte.

Sehr selten, aber doch, kommt es vor, dass Thanner von seinem Einspruchsrecht Gebrauch macht und eine Aktion völlig verhindert. In der Regel beschränkt er sich jedoch auf Nachbesserungen im Detail. Wie oft das vorkommt? Thanner: „Bei weniger als zehn Prozent aller Einsätze.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2007)

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