Das Wandern der Wale

An den Seepocken auf ihrer Haut kann man Individuen erkennen und ihre Wege rekonstruieren.
An den Seepocken auf ihrer Haut kann man Individuen erkennen und ihre Wege rekonstruieren.Michael S. Nolan/Robertharding/picturedesk.com
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Die Meeressäuger haben ein langes Gedächtnis. Dem folgen die, die hinter Krill her sind, die Bartenwale, jedes Jahr um die halbe Erde.

Vor 42,6 Millionen Jahren war dort, wo heute eine Wüste an der Küste Perus ist, die Media Luna, das Meer. Und einer seiner Bewohner hat sich als Fossil erhalten, von Kopf bis Schwanz vier Meter lang. Er hatte behufte Finger und Zehen und andere Merkmale eines Lebens an Land, war aber im Wasser zu Hause, davon zeugen Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen: Er war der erste Wal an der Westküste Amerikas, deshalb taufte sein Entdecker, Olivier Lambert (Brüssel), ihn Peregocetus pacificus, den „wandernden Wal, der den Pazifik erreichte“ (Current Biology, 4. 4.).

Der erste Wal war er nicht, der hieß Indohydes und sah aus wie eine Mischung zwischen Schwein und Fuchs, er streifte vor 48 Millionen Jahren an Küsten des heutigen Kaschmir herum – das hatte Küsten –, irgendwann stieg er endgültig ins Wasser. Was ihn trieb oder lockte, ist so unklar wie bei jenen Fischen, die vor 380 Millionen Jahren den Gegenweg eingeschlagen hatten, ans Land stiegen und dort die Wirbeltiere etablierten: Vielleicht ging es um Flucht vor Räubern, vielleicht um Aussicht auf Beute, vielleicht um beides.

In jedem Fall musste umgebaut werden, bei den Walen wurden aus den Beinen wieder Flossen, anderes blieb erhalten, das Atmen mit Lungen etwa. Das brachte Gefahren, ganz spät durch neue Räuber – „Er bläst!“, jubelten die Ausgucke der Walfänger –, ganz früh durch die Last des Wassers: Indohydes nährte sich von Pflanzen, das zeigten Isotopen in seinen Zähnen (Nature 450, S. 1190), aber seine Erben stellten um auf Jagen, zunächst waren sie hinter Nautiloiden her, Kopffüßlern mit harter Schale, die waren leicht zu orten. Sie waren bald abgeräumt, die Jäger mussten tiefer hinab, nun suchten sie Tintenfische, und deren weiche, nicht leicht zu findende Körper förderten eine der großen Erfindungen der Wale, die der Echolokation, David Lindbergh (Berkeley) hat den Umbau nachgezeichnet (Lethaia 40, S. 335). Seitdem tauchen sie lang und tief, ein Cuvier-Schnabelwal hält den Rekord mit 2992 Metern (PloS One 10.1371). Im Durchschnitt gehen diese Wale 1400 Meter hinab und bleiben eine Stunde, nach der Rückkehr atmen sie ganze zwei Minuten durch, Jeanne Shearer (Duke) hat es vor einer US-Küste an zehn Individuen erhoben, die mit Sendern ausgestattet waren (Royal Society Open Science, 6. 2.).

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