Die Welt bis gestern

Proteste: Vom Idealismus zum Terror

Vor der Radikalisierung. Ulrike Meinhof als Redakteurin der Zeitschrift „konkret“, um 1960.
Vor der Radikalisierung. Ulrike Meinhof als Redakteurin der Zeitschrift „konkret“, um 1960.(c) ullstein bild via Getty Images (ullstein bild Dtl.)
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Es ist an der Zeit, über die Radikalisierung der Klimabewegung zu diskutieren. Idealistische Anfänge kannte auch die 68-er Bewegung, ein Teil davon führte zur RAF.

Je idealistischer eine Bewegung ist, desto schwerer findet sie den Weg zu Kompromissen. Die gelten als moralische Bank       rotterklärung. Aktivisten leiden an einem Mangel, der ihnen nicht einmal bewusst ist. Sie sind derart überzeugt davon, recht zu haben, dass ihnen die Einsicht, sie könnten in manchen Punkten auch unrecht haben, versperrt bleibt. Sie wollen mit sich und ihren Idealen im Reinen sein. Es gibt nur das Gute und das Böse. Durch das starre Festhalten an maximalistischen Positionen mangelt es ihnen in der Politik an Partnern, und es droht die Gefahr, entweder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken oder sich zu radikalisieren.

Die Rede ist – auch  – von der klimaapokalyptischen Bewegung der Gegenwart. Die Kombination aus Pragmatismus und Prinzipien droht ihr immer weniger zu gelingen. Wir sprechen hier nicht von den Schülerprotesten Fridays for Future, sondern von der Speerspitze der Bewegung, den Aktivisten von „Extinction Rebellion“ (die Rebellion, die die Auslöschung der Erde verhindern soll, ist damit gemeint, abgekürzt wird sie XR). Sie geht mit wesentlich drastischeren Methoden vor als die besorgten Schüler. Die internationale Bewegung, 2018 in Großbritannien entstanden, arbeitet mit dem Furor des Unbedingten: „Jetzt oder nie gilt es, radikal zu werden. Erheben wir uns. Rebellieren wir!“

Zweifel – das Ferment der Aufklärung

Die Zitate stammen nicht aus obskuren Manifesten, sondern man kann sie nachlesen in einem soeben erschienenen Buch. „Wann wenn nicht wir“ ist der bemüht witzige Titel. Dass es ein renommierter Verlag wie S. Fischer gedruckt hat, erstaunt. Es enthält konkrete Handlungsanweisungen zum zivilen Ungehorsam, wie er in England bereits praktiziert wurde, etwa durch Straßen- und Brückenblockaden. „Flagellantenlektüre“ nennt das Alexander Kissler im „Cicero“, „sie will die Bande innerhalb der Klimagemeinde festigen und ihr neue Anhänger zuführen – um den Preis freilich, dass im Übermaß selbstherrlich hinausposaunter Gewissheiten das Ferment aller Aufklärung stirbt: der Zweifel.“

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