Burma: Zwecks Ruhe und Geselligkeit

Idyllische Ansicht der Maymyo Botanic Gardens in Myanmar.
Idyllische Ansicht der Maymyo Botanic Gardens in Myanmar. Imago
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Zu Gast im historischen Hotel Candacraig, dem heutigen Maymyo Resthouse, im Norden des Landes. Unweit von Maymyo befindet sich mit dem Gokteik-Viadukt auch ein berühmtes Ingenieurskunstwerk.

Für die meisten Rundreisenden durch Burma ist Mandalay, zweitgrößte Stadt und religiöses Zentrum des Landes, die nördlichste Station. Von dort kehren sie entweder direkt oder auf dem Weg über Bagan (Lake Inle!) zum Ausgangspunkt Rangoon/Yangon zurück. Oberburma und der Oberlauf des Irrawaddy sind schwer zugänglich – mit einer Ausnahme: Maymyo/Pyin Oo Lwin.

Die auf 1070 Metern gelegene Stadt führt seinen Namen auf Colonel May zurück, der hier 1887 ein Regiment befehligte, das den Widerstand der Bergstämme brechen sollte. Die Briten fanden rasch heraus, dass es sich von hier aus nicht nur militärisch operieren, sondern vor allem in der Hitze auch gut aushalten ließ. So wurde Maymyo zu einer Hill Station ausgebaut. In den Eichen- und Pappelwäldern der Umgebung legte man einen Golfplatz und Spielfelder für Kricket, Polo und Rugby an, auf die Anhöhen setzte man Residenzen im englischen Landhausstil. Die vornehmsten Gebäude säumen die East Ridge Road: The Pines, Ridge House, Forest View und – Candacraig, nicht der unwichtigste Grund für mehr als einen Tagesausflug nach Maymyo.

Der Name ist schottisch, aber nicht einmal die Encyclopaedia Britannica kennt seine Herkunft genau. Das Gebäude, das diesen Namen erhielt, wurde 1904, nach anderen Quellen 1906 von der Bombay-Burmah Trading Company errichtet, die ihren Angestellten dort Ruhe und Geselligkeit nach der Arbeit bieten wollte. Später machten es Japaner zu ihrem Standquartier. 1968 wurde das Gebäude vom Staat übernommen, zu einem Hotel der zweiten Kategorie gekürt und in Maymyo Rest House umbenannt.

Letzte Meter zu Fuß

Aber der alte Name lebt weiter. Wenn man sich auf dem Busbahnhof in Mandalay danach erkundigt, wie lang die Fahrt nach Maymyo dauert, lautet die Gegenfrage, ob man auch das Candacraig aufsuchen wolle. Zwei Stunden benötigt der Geländewagen für die 67 Kilometer, halb so lang wie der Zug, der morgens um fünf Uhr abfährt. In die Umgebung von Maymyo stößt man am besten mit der einspännigen Pferdedroschke vor, einer Tonga. Die botanischen Gärten, das Villenviertel, die eukalyptusgesäumten Straßen und die acht Kilometer vom Zentrum entfernten Wasserfälle von Pwe Kauk sind damit bequem zu erreichen. Im Ortskern fällt die Orientierung auch ohne Karte und Guide leicht. Der bunte Markt der Bergbauern, Purcell's Uhrturm, Wahrzeichen der Stadt, und die Kaffeehäuser liegen nahe beisammen.

Candacraig ist das herrschaftliche Haus von einst geblieben. Alle Fahrzeuge haben am großen Tor zu halten; das letzte Stück legt man zu Fuß durch eine parkähnliche Anlage zurück. Das stattliche Gebäude besitzt einen fast quadratischen Grundriss, zwei Stockwerke und ein an den Ecken mit Türmchen bewehrtes Schieferdach. Das Erdgeschoß wird übermannshoch von Efeu umrankt. Darüber leuchtet die ziegelrote, durch blaue Fenstergitter und Teakholzverstrebungen vielfach gegliederte Fassade der ersten Etage. Von den überdachten Balkons fällt der Blick über das hügelige Hinterland von Maymyo.

Original erhalten

Die Eingangshalle liegt wie ein überdachtes Atrium im Herzen des Gebäudes und ist ebenso wie der Speisesaal spartanisch eingerichtet; die Rezeption verbirgt sich in einer dunklen Ecke. Nur die Sitzgruppe vorm offenen Kamin gibt dem Raum Behaglichkeit. Vom Stirnende gelangt man über eine Holztreppe auf eine Galerie, von der aus die sieben Doppel- und Dreibettzimmer betreten werden. Die Böden ächzen, wie in einem Holzhaus nicht anders zu erwarten, bedrohlich. Vom Mobiliar der Gründerzeit ist bis zum Lattenrost in der Dusche alles an seinem Platz geblieben.

Nur die Lampen hat man erneuert. Jeder Schlafraum ist mit einem kleinen Kachelofen ausgestattet; dort ist freilich schon lang nicht mehr geheizt worden. Dafür wird allabendlich das Kaminfeuer in der Halle angefacht, wo sich die Gäste vor dem Dinner zum Bier und nach dem Dinner zum Drink versammeln. Ein Stromausfall ist in Maymyo nicht außergewöhnlich. In dem Fall wird im Kerzenschein gespeist. Und auch wenn der Wasserhahn kurz streikt, ist die Zimmerrechnung bescheiden, wenn in Mandalay für eine düstere Bude das Dreifache verlangt wird.

Bizarre Brücke

Gerade 50 Eisenbahnkilometer von Maymyo ist eines der kühnsten Brückenbauwerke Südostasiens, der berühmt-berüchtigte Gokteik-Viadukt, entfernt. Die Stahlgerüstbrücke, die eine 300 Meter tiefe Schlucht überspannt, wurde 1899 von der Pennsylvania Steel Company für die britischen Kolonialherren gebaut. Man ging davon aus, dass die Burmesen die Verbindung zwischen der Assam-Bengal-Linie und dem chinesischen Schienennetz herstellen werden. Aber in Lashio, dem Verwaltungszentrum der Shan, kam der Bau zum Stehen. Erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Straßenverbindung nach Yunnan gebaut.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Genehmigung für einen Besuch der Grenzgebiete Nordostburmas westlichen Einzelreisenden selten erteilt. Mitunter machten Shan-Guerillas die Strecke unsicher. Paul Theroux, der berühmte Weltenbummler und Eisenbahnenthusiast, berichtete 1975 in seinen Essays „The Great Railway Bazaar“ vom Gokteik-Viadukt als einem „Ungetüm silberner Geometrie zwischen Felsen und Urwald“. Er musste die Kamera zurücklassen. Heute zücken die Reisenden hier die Smartphones.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2019)

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