Hüterin der Festspielschätze

Eine besondere Rolle beim Jubiläum für Archivarin Franziska Lettowsky.
Eine besondere Rolle beim Jubiläum für Archivarin Franziska Lettowsky.Wild & Team
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Im nächsten Jahr feiern die Salzburger Festspiel 100-Jahr-Jubiläum. Archivarin Franziska Lettowsky hütet Erinnerungen von der Gründung bis heute.

Ein unscheinbares, schwarz eingebundenes Büchlein gehört zu den kostbarsten Erinnerungen an die Gründungszeit der Salzburger Festspiele. Max Reinhardt hat in diesem dünnen Heft 1911 seine Notizen zur Uraufführung des „Jedermann“ in Berlin gemacht, 1920 Anmerkungen zur ersten Inszenierung vor dem Salzburger Dom und 1927 für eine Vorstellung in New York. Das Büchlein wird im Archiv der Salzburger Festspiele aufbewahrt.

Im kommenden Jahr feiert das Festival sein 100-Jahr-Jubiläum. Ein Ereignis, das im Archiv schon seit Längerem seine Schatten voraus wirft. „Wir haben viele Anfragen für Buchprojekte, aber auch von Museen oder von Journalisten, die zum Thema recherchieren“, erzählt Franziska-Maria Lettowsky. Die Salzburgerin leitet seit 2005 das Archiv der Festspiele.

In den Räumlichkeiten im ersten Stock des Schüttkastens neben dem Festspielhaus werden unzählige Dokumente, Programmhefte, Fotos, Briefe, Spielpläne und Entwürfe für Kostüme und Bühnenbilder aufbewahrt. „Wir haben zu fast jeder Aufführung seit 1920 Unterlagen“, berichtet Lettowsky. Einiges davon wird vom Archiv für die große Landesausstellung, die im nächsten Jahr geplant ist, zur Verfügung gestellt.

Max Reinhardts Regiebuch

Kuratorin Margarethe Lasinger will jedes Festspieljahr mit einem Exponat veranschaulichen. Das Regiebuch von Max Reinhardt hat einen Fixplatz in der Ausstellung. Auch der Programmzettel des ersten „Jedermann“ am 22. August 1920 – mit Johanna Terwin als Buhlschaft und Alexander Moissi als Jedermann – ist im Archiv zu bestaunen.

Der erste Festspiel-Almanach erschien 1925. Es gibt Briefe von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt oder Richard Strauss und Dokumente zur Gründung der Salzburger Festspielhausgemeinde aus dem Jahr 1917. Wie viele Dokumente in den hohen Schränken lagern, kann die Hüterin der Festspielgeschichte gar nicht sagen. Vieles von dem, was sich im Archiv befindet, konnte bisher noch nicht aufgearbeitet werden. „Das passiert schrittweise immer in Verbindung mit aktuellen Projekten“, sagt Lettowsky.

„Es ist erstaunlich, wie viel auch schon in der Anfangszeit aufgehoben wurde, obwohl es das Archiv offiziell noch gar nicht gab“, meint die Salzburgerin. Erst ab den 1950er-Jahren sei systematisch begonnen worden, die Dinge aus der Geschichte des Festivals zusammenzutragen.

So hat beispielsweise Hans Jaklitsch, einer ihrer Vorgänger, Kontakte mit Künstlern gehabt und diese vermutlich in den Programmheften unterschreiben lassen. Heute sind das kostbare Erinnerungen an viele künstlerische Sternstunden. Aus Nachlässen werden dem Archiv immer wieder interessante Dokumente angeboten: Grußkarten mit Festspielkünstlern oder Fotos, auf denen Künstler wie Max Reinhardt oder Alexander Moissi unterschrieben haben.

Zu den besonderen Schätzen, die sich in den Regalen und Laden des Archivs befinden, gehören die Bühnen- und Kostümentwürfe, die berühmte Künstler gezeichnet oder gemalt haben. In den Mappen finden sich Karl Lagerfelds Kostümfigurinen für „Der Schwierige“ im Jahr 1991 oder die Zeichnungen von Achim Freyer für die „Zauberflöte“ im Jahr 1997.

Ins Archiv, das seit 1996 an seinem derzeitigen Standort im Schüttkasten ist, kommen nicht nur Autoren, Wissenschaftler oder Dramaturgen und Schauspieler, die sich über frühere Aufführungen informieren wollen. Manchmal klopfen Gäste an die Tür des Archivs, die wissen wollen, ob es zu einer Aufführung, an der sie vor Jahrzehnten als Statist mitgewirkt hatten, noch Unterlagen gibt.

Theater – ein Erlebnis

Auch Festspielbesucher, die sich an Produktionen, die sie vor Jahren stark beeindruckt haben, fragen im Archiv an. „Es ist schön, wenn man das Theatererlebnis von damals mit alten Dokumenten wiederaufleben lassen kann“, freut sich Lettowsky über solche Momente.

Bei den Festspielen arbeiten zu dürfen, empfindet Lettowsky als großes Glück: „Ich mache das sehr, sehr gerne“, sagt sie über ihre Aufgabe. Die Salzburgerin hatte Musikwissenschaft und Publizistik studiert. Als Ferienjob verkaufte sie in ihrer Studienzeit den Festspielalmanach an Besucher. Eine gute Gelegenheit, um erstmals auch hinter die Kulissen des Festivals zu blicken.

Später arbeitete Lettowsky im Pressebüro und baute die Spielplandatenbank auf. Als die Leiterin des Archivs, Gisela Prossnitz, in Pension ging, übernahm sie die Verantwortung für die bald 100 Jahre umfassende Dokumentation der Festspielgeschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2019)

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