Wenn Forscher sich kein Blatt vor den Mund nehmen

Die „Climategate“-Affäre zeigt bedenkliche Usancen auf, aber stellt den wissenschaftlichen Klimawandel-Grundkonsens nicht in Frage.

Die Affäre um die gehackten Mails des Climate Research Unit (CRU) der britischen University of East Anglia zeigt, wie sehr die Klimawissenschaft mittlerweile emotionalisiert ist – und nicht nur sie, sondern auch ihre Rezeption in den Medien, die entweder wenig berichten und den Datenklau kritisieren oder das Thema größer aufmachen und ein Nachbeben in der Scientific Community erwarten.

Die Fakten: Unbekannte Hacker haben mehr als 1000 E-Mails und 2000 Dokumente des CRU im Internet veröffentlicht. Darin diskutieren Wissenschaftler, wie sie Kritiker aus der öffentlichen Diskussion drängen und Daten möglichst eindeutig darstellen können. Informationsanfragen von Außenstehenden werden abgeschmettert, Geheimhaltungen abgesprochen. So schrieb der Chef des CRU, Phil Jones, Anfang November 2008 an den prominenten Forscher Michael Mann: „Mike, kannst Du alle E-Mails löschen, die Du mit Keith (Briffa, ein anderer CRU-Forscher, Anm.) bezüglich AR4 (dem 4. Klimabericht des UN-Panels IPCC, Anm.) ausgetauscht hast? Keith macht es genauso.“ In einem anderen Mail schreibt Jones davon, in einer Klima-Datenreihe Manns einen „Trick“ angewendet zu haben, „to hide the decline“ – wobei Jones nun beteuert, dass „Trick“ sich hier auf ein korrektes statistisches Verfahren beziehe.

Das CRU nimmt in der Klimaforschung eine Schlüsselrolle ein, weil es Klimatabellen für die vergangenen Jahrhunderte aufgestellt hat, die die Besonderheit der derzeitigen Entwicklung herausstreichen. Skeptiker des Treibhauseffektes sehen sich nun in ihrem Verdacht wissenschaftlicher Manipulationen bestätigt. Allerdings haben auch Kritiker des CRU, wie der prominente deutsche Klimatologe Hans von Storch, darauf hingewiesen, dass die aufgetauchten Mails nichts am wissenschaftlichen Konsens änderten, dass die Erderwärmung weitgehend auf menschlichen Einfluss zurückzuführen sei. Von Storch hat sich in der Vergangenheit mit Mann und Jones gematcht, weil er die Fundiertheit ihrer Aussage, es habe in den letzten 1000 Jahren keine Wärmeperiode wie die heutige gegeben, anzweifelte (die sogenannte Hockeyschläger-Kontroverse).

Sanktionen gegen Klimatologen

Von Storch oder auch der spanische Klimatologe Eduardo Zorita denken laut darüber nach, ob Forscher wie Mann oder Jones weiterhin Begutachtungen durchführen oder an IPCC-Berichten mitarbeiten sollten. Sie würden zwar keine Forschungsergebnisse fälschen, aber mit einer Art Meinungskartell die wissenschaftliche Diskussion schädigen. Der East-Anglia-Professor Mike Hulme sprach die Hoffnung aus, „Climategate“ könnte wieder zu einer Entpolitisierung der Klima-Wissenschaft führen.

Phil Jones ist jedenfalls von seinem Chefposten beim CRU zurückgetreten, solange die nun begonnene interne Untersuchung dauert. Zuvor schrieb die „Times“, dass das CRU seine Datensätze nicht nur anderen Wissenschaftlern unter fadenscheinigen Begründungen vorenthalten hat, sondern offenbar in den Achtzigerjahren die kompletten Rohdaten der Messungen der vergangenen 150 Jahre bei einem Umzug vernichtet hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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