Twitter-Studie: Viel Mitgefühl, aber auch viel Manipulation

Präsidentschaftswahlkampf
PräsidentschaftswahlkampfHEINZ-PETER BADER/Reuters
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Eine Analyse der Social-Media-Aktivitäten während des österreichischen Präsidentschaftswahlkampfes 2016 zeigt auf, dass die Richtigstellung von Fake News diese erst recht verbreitet.

Unsere Gefühle wirken sich auf unser Kommunikationsverhalten aus. So weit, so bekannt. Soziale Netzwerke ermöglichen nun erstmals Studien mit riesigen Datensätzen dazu. Ema Kušen und Mark Strembeck von der Wirtschaftsuniversität Wien untersuchten damit, welche Auswirkungen Emotionen auf die Onlinekommunikation zwischen Menschen und das Agieren von Social Bots in diesem Zusammenhang haben. Bei Social Bots handelt es sich um Programme, die in den sozialen Medien menschliche Verhaltensmuster simulieren und so eine menschliche Präsenz digital vortäuschen.

Die Perfidie der Lügen

Die Analysen der beiden Wiener Forscher über Diskussionen im Netz zeichnen ein anderes Bild als das der digitalen „Meinungskloake“: Sie fanden etwa viel Anteilnahme angesichts von Katastrophen oder Todesfällen. In manchen Auseinandersetzung mischen mittlerweile auch automatische Social Bots mit. Diese seien programmiert, um Diskussionen mitunter gezielt zu lenken, so die Wirtschaftsinformatiker.

Sie untersuchten auch den stark polarisierenden Präsidentschaftswahlkampf 2016 im Netz. Dabei zeigte sich, dass Alexander Van der Bellen bei dem Microbloggingdienst Twitter deutlich mehr Popularität und Einfluss hatte als sein Gegenkandidat. Über den Account des späteren Wahlsiegers wurden eher emotional neutrale Botschaften verschickt, während aufseiten Norbert Hofers mit deutlich mehr Emotionen gearbeitet wurde. Interessant: Sympathisanten von Ersterem spielten eine tragende Rolle bei der Verbreitung von Fake News, und zwar, indem sie diese richtigzustellen versuchten. „Dadurch sind sie zu Empfängern gekommen, bei denen sie sonst nicht angekommen wären“, so Strembeck.

Ausschnitt des Twitter-Kommunikationsnetzwerks zur österreichischen Präsidentenwahl 2016
Ausschnitt des Twitter-Kommunikationsnetzwerks zur österreichischen Präsidentenwahl 2016Ema KušenMark Strembeck

Bots lenken Diskussionen um

Anders als bei der österreichischen Präsidentenwahl mischten Social Bots, die auf Social Media-Plattformen oftmals eine Unzahl an Nachrichten, Postings und Kommentaren versenden, im US-Wahlkampf, der 2016 mit dem Sieg von Donald Trump endete, oder rund um das Brexit-Referendum schon ein gutes Stück weit mit. Social Bots lassen sich mittels eigener von Forschern entwickelten Programmen zwar gut identifizieren, geben aber oft keine Auskunft über ihren Betreiber.

Wie bereits in anderen Analysen zeigten auch die Wiener Forscher, dass die Strategie hinter ihrem Einsatz oft das Umlenken von Diskussionen war. „Während der US-Präsidentenwahl haben solche Social Bots tatsächlich auch versucht, thematisch fremde Diskussionen - wie solche, wo einander Menschen ein schönes Thanksgiving wünschten - etwa mit Pro-Trump-Nachrichten zu kapern", sagte Strembeck.

Positive Emitionen als „Heilmittel“

In einer weiteren Studie analysierte das Team die Social Media-Kommunikation rund um Ereignisse, die entweder emotional positiv oder negativ besetzt waren, bzw. solche, die polarisierend wirken. Zur Überraschung der Forscher gab es angesichts von Naturkatastrophen oder der massiven Bombenangriffe auf die syrische Stadt Aleppo „sehr viele positive Emotionen in den sozialen Medien, die vor allem Empathie und Sorge ausdrückten", sagte Strembeck. Der Anteil an Schadenfreude und Häme hielt sich angesichts solcher Ereignisse in sehr engen Grenzen.

Die Forscher sehen darin eine Bestätigung für die „Undoing Hypothese", die besagt, dass in diesem Zusammenhang versucht wird, positive Emotionen sozusagen als „Gegenmittel" gegen negative Emotionen einzusetzen. Hier habe man erstmals „in größerem Maßstab" einen Beleg für diese These gefunden, so der Wissenschafter. (APA/cog)

Publikation: Emotional Valence Shifts and User Behavior on Twitter, Facebook, and YouTube (LNSN, 2019)

WU-Research-News-Beitrag: WU Data Science Projekt liefert Erkenntnisse zur Auswirkung von Emotionen auf die Kommunikation von Menschen und Social Bots

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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