Das Klima schonen und sich wohlfühlen

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Symbolbild. (c) Clemens Fabry
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Das City-Intelligence-Lab in Wien Floridsdorf motiviert Bürger zum Mitplanen bei der Umgestaltung von Grätzeln. In Echtzeit werden Veränderungen des Raumes und ihre Folgen digital sichtbar gemacht.

Während vor einigen Jahren die Bewohner einer Stadt noch nach Plätzen gesucht haben, an denen man die Sonne genießen kann, müssen Stadtplaner inzwischen mehr Raum schaffen, der schattig und kühl ist, damit sich die Menschen dort wohlfühlen. „Wir bemerken, dass sich Bürger in Österreich heute oft eine Gestaltung wünschen, die man früher eher aus Südeuropa kannte“, sagt Nikolas Neubert vom Austrian Institute of Technology (AIT).

Das AIT-Center for Energy eröffnete diese Woche ein neues Labor in Wien Floridsdorf, in dem die Mitwirkung von Bürgern schneller und leichter gehen soll als bisher, wenn man optimale Lösungen der Raumgestaltung sucht. „Das City-Intelligence-Lab kombiniert digitale Technologien und künstliche Intelligenz und ist weltweit das erste seiner Art“, erklärt Wolfgang Hribernik, Leiter des Center for Energy. Durch „Augmented Reality“ werden Stadtviertel im Labor dreidimensional sichtbar. In Echtzeit kann dargestellt werden, wie welche Raumänderung wirkt. Kühlen neu gepflanzte Bäume einen Platz besser, als würde man einfach die Oberflächen hell gestalten? Welche Kosten verursacht jede Maßnahme, und wie schont die Investition nachhaltig das Klima und senkt den Energieverbrauch?

„Unsere Technik basiert auf unzähligen Ergebnissen von Simulationen, die in die Tiefe gehen“, sagt Hribernik. Durch künstliche Intelligenz werden die Auswirkungen jeder Maßnahme sofort sichtbar: Der Nutzer kann schnell in der virtuellen Umgestaltung weiterklicken und muss nicht minuten- oder gar tagelang auf das Ergebnis der Berechnungen warten.

Tests in Favoriten und Hietzing

„Wir haben die Entwicklungen der letzten Jahre zusammengebracht: Daten zu Klima, Verkehr, Energienutzung oder Wohnraum“, sagt Neubert. Auf der Benutzeroberfläche im City-Intelligence-Lab können die Entwicklungen durchgespielt werden, angepasst an die kleinräumlichen Bedingungen in jedem Grätzl.

Derzeit laufen Projekte in Wien Favoriten und Hietzing: Gemeinsam mit den Bewohnern werden Konzepte gesucht, die der urbanen Überhitzung entgegenwirken. „Das neue Lab soll Bewusstsein schaffen bei allen Beteiligten und auch zur Mitwirkung motivieren“, so Neubert. Das AIT sieht darin einen Paradigmenwechsel von traditionellen Methoden der Stadtplanung hin zu interaktiven Plattformen, die auf sozialwissenschaftlicher Basis digitale Werkzeuge, Big Data und künstliche Intelligenz einsetzen. So können Projektteilnehmer auf ihrem Smartphone beobachten, was passiert, wenn hier ein Baum oder dort ein Brunnen gesetzt wird.

„Ein Thema ist auch das Wachstum der Städte: Es soll zwar neuer Wohnraum geschaffen werden, aber die verdichtete Versiegelung der Böden führt zu weiterer Erhitzung der Stadt“, so Neubert weiter. In Zukunft sollen die Bürger schon von Beginn an einbezogen werden, um Neubauprojekte so zu gestalten, dass sich im Viertel weiterhin alle wohlfühlen.

Erfolgreich abgeschlossen haben die AIT-Forscher soeben Projekte in Usbekistan, in denen die Bürger bei Planungen zur Revitalisierung mitwirken konnten. Mit dem digitalen Werkzeug entwickelten sie Maßnahmen, die ihre Umgebung, den öffentlichen Raum und die sozialen Einrichtungen attraktiver und lebenswerter gestalten.

LEXIKON

Augmented Reality bedeutet „erweiterte Realität“ und bezeichnet die Erweiterung der Wahrnehmung durch digitale Methoden, wie es beispielsweise eingeblendete Wegbeschreibungen auf dem Smartphone oder Einparkassistenten im Auto sind.

Im City-Intelligence-Lab können auf dreidimensionalen Plänen zum Beispiel Szenarien zur Klimaentwicklung in Stadtteilen durchgespielt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2019)

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