Das Wort der Woche: Wasserstoff

Der saubere Energieträger Wasserstoff erlebt einen neuen Frühling – der diesmal von Dauer sein könnte. Kurzfristige Hoffnungen darf man sich aber nicht machen.

Wasserstoff wurde schon öfter als sauberer Energieträger der Zukunft angesehen – schließlich entsteht beim Verbrennen reines Wasser. Die Hoffnungen haben sich aber jedes Mal wieder zerschlagen, zu groß waren die technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Beim aktuellen Hype könnte dies anders sein, denn nun wird infolge des Klimawandels die „Dekarbonisierung“ groß geschrieben. In diese Kerbe schlug diese Woche etwa ein IEA-Experte bei der Energy2050-Tagung in Fuschl oder der Gas- und Wasserverband ÖVGW, der es für machbar hält, Erdgas bis 2050 komplett durch „Grünes Gas“ (Biomethan und Wasserstoff) zu ersetzen. Hinzu kommt, dass Wasserstoff im Wahlkampf ein innenpolitisches Thema wurde. Das gab's noch nie!

In der Fachwelt ist man indes vorsichtig. In einigen Bereichen könnte sich Wasserstoff tatsächlich durchsetzen, meint man. Etwa bei der Kopplung von Strom- und Gasnetzen („Power-to-Gas“), wodurch das System flexibler und z. B. Solarstrom aus dem Sommer in Gasform für den Winter speicherbar würde. Wasserstoff könnte in manchen Betrieben sinnvoll sein, wo das energiereiche Gas auch für Prozesse genutzt wird (etwa in der Stahl- und Chemieindustrie) oder in Verkehrssektoren, in denen Batterien kaum einsetzbar sind (Güter-, Flug- und Schiffsverkehr). Allerdings sind die Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und umgekehrt eher bescheiden. Und: Kurzfristig ist nichts umsetzbar, wird einhellig betont.

Der alles entscheidende Punkt ist freilich, wie Wasserstoff produziert wird. Derzeit stammen über 95 Prozent aus der katalytischen Spaltung fossiler Energieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle) – in der Fachwelt nennt man das „grey hydrogen“. Nutzt man hingegen Strom zur Elektrolyse von Wasser, spricht man von „green hydrogen“. Und in den Startlöchern ist eine dritte Quelle: „blue hydrogen“ entsteht durch einen Hochtemperaturprozess aus Erdgas – wobei der Kohlenstoff in fester Form anfällt und sehr einfach abgetrennt werden kann.

Aus Umweltsicht ist der graue Wasserstoff klarerweise nicht sinnvoll; gleiches gilt für den blauen – denn würde sich diese Technologie durchsetzen (was v. a. von Russland forciert wird), würde das unsere Abhängigkeit von importiertem Erdgas prolongieren. Nur der grüne Wasserstoff könnte – wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt – einen wirklichen Fortschritt bringen. Aber, siehe oben, sicher nicht kurzfristig.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2019)

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