Kosmologie

Physiknobelpreis: Seltsame außerirdische Kombination

So wie den dunklen Punkt links stellt man sich einen Exoplaneten vor, K2-33. Sehen kann man ihn nicht, ein Nasa-Zeichner half aus.
So wie den dunklen Punkt links stellt man sich einen Exoplaneten vor, K2-33. Sehen kann man ihn nicht, ein Nasa-Zeichner half aus.(c) AFP/NASA
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Der Nobelpreis geht an zwei Schweizer für die Entdeckung von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems und einen Kanadier für Arbeiten in der theoretischen Kosmologie.

War es ein Kompromiss in letzter Minute? Recht seltsam mutet die Kombination an, die das Nobelkomitee der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften heuer für den Nobelpreis aus Physik gewählt hat: Eine Hälfte des Preises teilen sich die beiden Entdecker des ersten „richtigen“ Planeten eines fremden Sterns, die andere geht an einen Kosmologen, also einen Physiker, der sich mit dem Kosmos als Ganzem befasst. Gemeinsam haben die beiden prämierten Forschungsgebiete nur, dass sie beide über das Irdische hinausgehen, das Nobelkomitee formuliert das recht pathetisch: Prämiert würden „Beiträge zu unserem Verständnis der Evolution des Universums und den Platz der Erde im Kosmos“. (Wobei das Wort Evolution denkbar schlecht gewählt ist: Es hat in der Biologie einen ganz präzisen Sinn, der gewiss nicht aufs ganze Universum passt.)

Leichter fassbar ist gewiss die Arbeit von Michel Mayor und Didier Queloz: Sie hat unser Weltgefühl verändert. Man bedenke: Noch vor 30 Jahren konnte man sich nicht sicher sein, dass auch andere Sterne als die Sonne von Planeten umrundet werden. Natürlich, es galt als sehr wahrscheinlich, aber wer weiß . . .

Der erste echte Exoplanet: 1995

Die ersten Exoplaneten, also Planeten außerhalb des Sonnensystems, die in den frühen Neunzigerjahren entdeckt waren dann sozusagen eine halbe Sache: Sie gehörten nicht zu normalen Sternen, sondern zu Pulsaren, schnell rotierenden Neutronensternen, die arge Strahlung aussenden. Das heißt, dass Leben auf diesen Planeten ausgeschlossen ist. 1995 gelang es dann Mayor und Queloz von der Universität Genf, den ersten Exoplaneten bei einem „richtigen“ Stern zu entdecken: 51 Pegasi heißt der Stern, weil er im Sternbild Pegasus steht, doch 2015 wurde er von der Internationalen Astronomischen Union - wohl zu Ehren der Entdecker seines Planeten - auf Helvetios umbenannt. Den Planeten nannten Mayor und Queloz prosaisch 51 Pegasi b, andere Astronomen schlugen den Namen Bellerophon (von einem griechischen Helden, der den Pegasus geritten hat) vor, doch durchgesetzt hat sich der Name Dimidium.

Das bedeutet „die Hälfte“ und kommt daher, dass der Planet ungefähr die halbe Masse des Jupiters hat. Im Gegensatz zu diesem ist er seiner Sonne aber viel näher: Er umrundet sie in nur vier Tagen, in einem Abstand von einem Zwanzigstel des Abstandes zwischen Erde und Sonne. Das heißt, dass es auf ihm sehr heiß sein muss: Leben ausgeschlossen. „Hot Jupiters“ nennt man solche Exoplaneten, man kennt viele solche, einfach weil sie leicht zu entdecken sind. Vor allem mit der Methode, die Mayor und Queloz verwendeten: Sie maßen regelmäßige Veränderungen der Radialgeschwindigkeit des Sterns und schlossen daraus auf die Existenz eines Körpers, dessen Gravitation diese Veränderungen hervorruft. Das geht natürlich umso leichter, je schwerer der Körper ist.

Inzwischen gibt es auch andere Methoden zum Nachweis von Exoplaneten, und man hat auch schon kleinere, der Erde ähnlichere gefunden. Insgesamt sind über 4000 registriert, und es werden immer mehr, die Astronomen können oft auch schon grobe Aussagen über ihre chemische Zusammensetzung machen.

Die Expansion des Universums

Eines ist klar: Alle bisher bekannten Exoplaneten sind in unserer Galaxie, der Milchstraße, die nur eine von Tausenden Milliarden Galaxien ist, die sich schnell voneinander entfernen. Diese Expansion des Universums hat laut heute gültigem Weltbild vor 13,8 Milliarden Jahren in einem Urknall beginnen. Von diesem zeugt die kosmische Hintergrundstrahlung, die Arno Penzias und Robert Wilson 1964 entdeckten. Zuerst wollten sie dieses Rauschen mit Taubenmist auf der Antenne erklären, doch dann fanden sie theoretische Arbeiten, die genau dieses Rauschen vorhersagten, u. a. vom kanadischen Physiker James Peebles. Penzias und Wilson bekamen den Nobelpreis bereits 1978, Peebles bekommt ihn erst jetzt. Aber nicht nur dafür. Als echter Kosmologe rehabilitierte er etwa die kosmologische Konstante, die Einstein erst eingeführt und dann als „Eselei“ verworfen hatte. Sie dient den Kosmologen heute dazu, zu erklären, dass das Universum nicht statisch ist, sondern sich fortwährend ausdehnt. Peebles identifizierte sie mit der Energie des Vakuums bzw. mit der Dunklen Energie, die laut heutigem Weltbild über 70 Prozent der Energie (inklusive Materie) des Universums darstellen soll, obwohl keiner sie kennt oder versteht. Dass die schlichte Gleichsetzung von Dunkler Energie und kosmologischer Konstante problematisch ist, war Peebles klar: Er nannte die zweitere einen „Fremdkörper“ im Theoriegebäude.

23 Prozent des Universums sollen Dunkle Materie sein, die zwar ebenfalls unbekannt, aber nicht ganz so rätselhaft ist: Auch mit ihr hat sich Peebles viel befasst, zum Beispiel in Modellen zur Strukturbildung im Universum. So zeigte er, dass man die Struktur von Balkenspiralgalaxien wie der Milchstraße nur mit der Annahme von Dunkler Materie erklären kann. Vorbildliche Selbstkritik zeigte der heute 84-jährige Peebles, als der Anruf aus Stockholm kam: Man möge nicht vergessen, sagte er, dass er „auch viele falsche Ideen“ publiziert habe.

Generationen von Kosmologen hat Peebles' Lehrbuch „Principles of Physical Cosmology“ geprägt. Dass auch weniger theoretisch gesinnte Astronomen ihn schätzen, äußerte sich darin, dass ein Kleinplanet nach ihm benannt wurde: (18242) Peebles ist freilich kein Exoplanet, sondern in unserem Sonnensystem daheim.

Die Auszeichnung ist mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotiert. Am Montag war der Nobelpreis für Medizin Gregg Semenza (Amerika), William Kaelin (Amerika) und Peter Ratcliffe (Großbritannien) zuerkannt worden. Sie hatten gezeigt, wie Zellen den Sauerstoffgehalt in ihrer Umgebung wahrnehmen und auf Veränderungen reagieren.

Am Mittwoch folgt der Nobelpreis für Physik, am Donnerstag jener für Literatur (und zwar doppelt vergeben für 2018 und 2019). Am Freitag wird der Friedensnobelpreis verkündet. Den Abschluss bildet dann am Montag der Preis für Wirtschaftswissenschaften.

Der Physik-Nobelpreis wird seit 1901 vergeben. Die erste Auszeichnung erhielt der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung der "X-Strahlen", der später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur einen Hälfte an den US-Forscher Arthur Ashkin und zur anderen Hälfte an den französischen Wissenschafter Gerard Mourou und die kanadische Forscherin Donna Strickland. 

Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre

2018: Die Laserphysiker Arthur Ashkin (USA), Gérard Mourou (Frankreich) und Donna Strickland (Kanada) für die Entwicklung präziser Werkzeuge aus Licht.

2017: Die drei US-Forscher Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne für den direkten Nachweis von Gravitationswellen. Albert Einstein hatte das Phänomen bereits vorhergesagt.

2016: Die gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz. Sie haben exotische Zustände beschrieben, die eine Relevanz für Quantencomputer und neue Materialien haben könnten.

2015: Der Japaner Takaaki Kajita und der Kanadier Arthur McDonald. Sie hatten nachgewiesen, dass Neutrinos eine Masse besitzen. Die winzigen neutralen Elementarteilchen durchströmen das All und selbst Mauern.

2014: Die gebürtigen Japaner Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura für die Erfindung hocheffizienter Lichtquellen. Die blau leuchtenden Dioden ermöglichen helle und energiesparende LEDs.

2013: Der Belgier Francois Englert und der Brite Peter Higgs für die Vorhersage des Higgs-Teilchens.

2012: Serge Haroche aus Frankreich und David Wineland aus den USA für Fallen, mit denen sich geladene Teilchen (Ionen) und Licht (Photonen) einfangen lassen. Sie schufen damit Grundlagen für genauere Uhren und grundsätzlich neue Computer.

2011: Saul Perlmutter, Adam G. Riess (beide USA) und Brian P. Schmidt (USA und Australien) für die Beobachtung, dass sich das All derzeit immer schneller ausdehnt.

2010: Der Niederländer Andre Geim und der britisch-russische Physiker Konstantin Novoselov für ihre Arbeiten zu Graphen. Das einlagige Gitter aus Kohlenstoffatomen leitet hervorragend Hitze und Strom.

2009: Charles Kao (China), Willard Boyle und George Smith (beide USA) für die schnelle Datenübertragung durch Glasfasern sowie für den lichtempfindlichen CCD-Chip.

(red.)

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