Forschung

Chemienobelpreis für kleinere und bessere Batterien

Das Model einer Batterie in der Hand: Akira Yoshino, einer der drei Chemie-Nobelpreisträger.
Das Model einer Batterie in der Hand: Akira Yoshino, einer der drei Chemie-Nobelpreisträger. REUTERS
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Der Nobelpreis geht an die drei Forscher John B. Goodenough, M. Stanley Whittingham und Akira Yoshino für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien.

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den in Jena geborenen US-Amerikaner John Goodenough, Stanley Whittingham (in Großbritannien geboren) und Akira Yoshino (Japan) für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien. Dieser Batterietyp revolutionierte die Elektronik: Lithium-Ionen-Batterien sind wesentlich leichter als ihre Vorgänger und können viele Male geladen und entladen werden - unabdingbar für Smartphones, Laptops und Elektrofahrzeuge.

Die Preisträger hätten eine "wiederaufladbare Welt geschaffen", begründete das Nobelpreiskomitee seine Wahl. Die leistungsstarken Akkus könnten signifikante Energiemengen aus Sonnen- und Windkraftanlagen speichern und damit eine Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe ermöglichen.

So ist es kein Zufall, dass das erste Modell eines Lithium-Akkus in der Ölkrise in den frühen Siebzigerjahren gebaut wurde - von Stanley Whittingham (heute 77 Jahre alt), der damals beim US-Ölkonzern Exxon arbeitete. Wie kam er überhaupt auf Lithium?  Nun, Lithium, die Nummer drei im Periodensystem der chemischen Elemente, ist nicht nur das leichteste Metal, sondern auch das aggressivste. Vermenschlichend gesprochen: Es hat nur ein Elektron in seiner äußersten Schale, und das will es unbedingt loswerden und damit zum positiv geladenen Ion (Li+) werden. So kommt es in der Natur nur als Ion vor, nicht als ungeladenes Metall.

Physikalisch gesprochen: Lithium hat das höchste Standardpotenzial aller Metalle: –3,5 Volt. Das macht es zum idealen Material für eine Batterie, die ja im Prinzip so funktioniert: Zwei Pole tauchen in eine leitende Lösung, den Elektrolyten. Vom negativen Pol, der Anode, fließen über einen Draht Elektronen zum positiven Pol, der Kathode. Dieser Elektronenfluss kann als elektrischer Strom verwendet werden. Damit die Batterie insgesamt elektrisch neutral bleibt, müssen zum Ausgleich positiv geladene Ionen durch den Elektrolyten von der Anode zur Kathode fließen.

Als Kathode verwendete Whittingham Titandisulfid, in dessen Kristallgitter Lithium-Ionen eingelagert waren. Die Anode enthielt metallisches Lithium. Damit konnte er immerhin eine Spannung von 2,5 Volt erzeugen.

Problem dieser Batterie war die Aggressivität des Lithiums. Wenn kleine, an der Anode gewachsene Lithium-Kriställchen durch den Elektrolyten zur Kathode gelangten, kam es zum Kurzschluss und mitunter zu einer Explosion. Die Feuerwehr musste oft anrücken und drohte den Exxon-Chemikern an, die teuren Einsätze Einsätze zu verrechnen. Whittingham reagierte mit Adaptionen – so legierte er die Anode mit Aluminium –, aber die Firma Exxon, durch die sinkenden Ölpreise am Anfang der Achtzigerjahre geplagt, sparte an seiner Forschung.

John B. Goodenough, mit 97 Jahren der älteste Wissenschafter, der bisher den Nobelpreis erhalten hat, damals ein von alternativen Energien begeisterter Chemiker an der Universität von Oxford, wusste, dass die Kathode noch größeres Potenzial hätte, wenn sie aus einem Metalloxid statt eines Metallsulfids bestehen würde. So änderte er das Material der Kathode auf Kobaltoxid. Auch in diesen Kristall können Lithium-Ionen eingelagert werden. So kam er auf eine Spannung von 4,0 Volt.

Der dritte der drei neuen Nobelpreisträger kommt aus Japan, wo die Elektronikindustrie geradezu gierig auf leichte, wieder aufladbare Batterien für ihre Kameras, Telefone und Computer war. Doch es war Akira Yoshino (heute 71), Forscher beim Chemiekonzern Asahi Kasei, der die erste kommerziell verwertbare Lithium-Batterie baute. Als Kathode nahm er wie Goodenough Kobaltoxid. Doch als Anode verwendete er ein Abfallprodukt der Ölindustrie: Petrolkoks, der hauptsächlich aus Kohlenstoff besteht. Wenn er dieses Material mit Elektronen auflud, konnte er Lithium-Ionen dazu bringen, sich einzulagern. So ändert sich – im Gegensatz zu den Vorgängermodellen – die Struktur beider Elektroden nicht, wenn man die Batterie verwendet. Ihre Wirkung beruht nur auf dem Fluss von Lithium-Ionen zwischen Anode und Kathode. Sie kann hunderte Male wieder aufgeladen werden. Ihr zweiter großer Vorteil: Sie enthält kein metallisches Lithium, ist daher viel sicherer.

1991 kamen die ersten solchen Lithium-Batterien auf den Markt, sie waren ein ganz wichtiger Faktor für die Miniaturisierung der elektronischen Geräte. Ihre Bauweise ist inzwischen natürlich vielfach optimiert worden, und manchmal hört man bereits, dass eine „Post-Lithium-Ära“ bevorstehe. Doch noch sind die Ionen des leichtesten, aggressivsten Metalls in zahllosen Knopfzellen auf Wanderschaft, um unsere Geräte laufen zu lassen. Darunter solche, die uns den Song „Lithium“ von Nirvana (aus dem Jahr 1992) zu Gehör bringen. Er heißt so, weil Lithium-Ionen auch in Medikamenten gegen psychische Störungen verwendet werden. Aber das ist eine andere Geschichte.

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur einen Hälfte an die US-Forscherin Frances Arnold, zur anderen Hälfte an ihren Landsmann George Smith und den Briten Gregory Winter. Sie haben Methoden entwickelt, die die gleichen Prinzipien wie die Evolution nutzen und mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen.

Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre

2018: Die US-Amerikanerin Frances Arnold, ihr Landsmann George Smith und der Brite Gregory Winter haben Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, etwa Biokraftstoffe, Arzneimittel und therapeutisch wirkende Antikörper umweltfreundlich herzustellen.

2017: Der Schweizer Jacques Dubochet, der Deutsch-Amerikaner Joachim Frank und der Brite Richard Henderson für die Kryo-Elektronenmikroskopie. Damit lassen sich Biomoleküle im Detail untersuchen - sie zeigt etwa dreidimensionale Bilder von Proteinen.

2016: Der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa. Sie bauten aus nur wenigen Molekülen etwa künstliche Muskeln und ein Mini-Auto.

2015: Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei), die Erbgut-Reparatursets beschrieben hatten. Diese Erkenntnisse dienen unter anderem zur Suche nach Krebsmedikamenten.

2014: Der Deutsche Stefan Hell sowie die US-Amerikaner Eric Betzig und William Moerner für die Erfindung superauflösender Mikroskope. Damit kann man in lebende Zellen blicken und Abläufe bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson beobachten.

2013: Martin Karplus (USA), Michael Levitt (USA/Grossbritannien) und Arieh Warshel (USA/Israel) für Methoden, mit denen sich auch komplexe chemische Reaktionen virtuell nachvollziehen lassen.

2012: Robert Lefkowitz und Brian Kobilka aus den USA für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.

2011: Dan Shechtman (Israel), der Quasikristalle entdeckt hatte, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.

2010: Richard Heck (USA) sowie die Japaner Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki, die komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.

2009: Venkatraman Ramakrishnan (Grossbritannien), Thomas Steitz (USA) und Ada Jonath (Israel) für die Erforschung der Eiweißfabriken in biologischen Zellen, der Ribosomen.

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