Schlaf

Selbst Hydra braucht Ruhe

Auch so basale Tiere wie die Süßwasserpolypen fallen periodisch in den rätselhaften Zustand.
Auch so basale Tiere wie die Süßwasserpolypen fallen periodisch in den rätselhaften Zustand. ⫻ Biophoto Associates/PhotoResearchers/picturedesk.com
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Der Schlaf ist ein rätselhaftes Phänomen. Lang hielt man ihn für ein Bedürfnis des Gehirns höherer Tiere. Aber auch Tiere ohne Gehirn schlafen.

Um das Wesen des tiefen dunklen Schlafs weiß man nichts in Ost und West“, bedauerte der japanische Mönch Mubaisai Ekirin 1597 in seiner „Haushaltsenzyklopädie“, er selbst schlief vermutlich, wie in seiner Heimat üblich, vier, fünf Stunden pro Nacht, ergänzt um Nickerchen am Tag, wo immer möglich, heute gern in der U-Bahn. Spanier halten es anders, sie verteilen den Schlaf auf zwei Phasen – eine ist die Siesta in der Hitze des Mittags –, bei uns ist man sieben, acht Stunden ohne Unterbrechung gewohnt.

So kulturell überformt ist der Zustand, in dem wir ein Drittel unseres Lebens verbringen und der doch nicht einmal exakt definiert ist, sondern nur vage dadurch, dass es um Ruhe geht. Ohne die können wir nicht leben, schon nach einer schlaflosen Nacht sind wir „wie gerädert“, Folterer machten sich das immer schon zunutze, und auch Ratten sterben rascher an Entzug von Schlaf als dem von Nahrung. Dabei ruht im Schlaf fast nichts: Herz und Lunge pumpen, gottlob, nur die Skelettmuskeln sind erschlafft, und die Aufmerksamkeit der Sinne ist herabgesetzt, beides macht Schlaf in der Natur extrem gefährlich.

Und doch schlafen alle, in höchst unterschiedlicher Dauer, zwergenhafte Fledermäuse fast den ganzen Tag, hochragende Giraffen allenfalls zwei Stunden (im Stehen), und manche Tiere – Enten, Delfine, Krokodile – halten immer ein Auge offen und eine Hälfte des Gehirns aktiv. Auf dieses Organ konzentrierten sich lang auch Erklärungsversuche, obwohl gerade das Gehirn im Schlaf überhaupt nicht ruht, sondern periodisch aktiver ist als im Wachzustand: Schlaf hat verschiedene Phasen – REM und Non-REM – und eine komplexe Architektur, man erkundet sie mit Messungen der Gehirnströme mit EEG und versucht, sie mit Funktionen in Verbindung zu bringen, ist aber über die alte Lebensweisheit kaum hinaus gekommen, dass man wichtige Entscheidungen am besten überschläft: Im Schlaf geht man den Tag noch einmal durch, im Schlaf wird gelernt, Wichtiges verfestigt, Unwichtiges entsorgt.

Letzteres nicht nur metaphorisch: Im Schlaf räumt das Gehirn gefährliche Stoffwechselprodukte weg, Maiken Needergard (Rochester) hat es 2013 bemerkt (Science 342, S. 372), es war einer der raren harten Funde der Schlafforschung. Die anderen kreisen um das, was man aus EEGs ableiten kann, und mit denen hat man nicht nur bei Menschen gemessen, sondern auch bei vielen Tieren, denen man Elektroden anlegen kann. Das verfestigte sich zu der Vorstellung, dass Schlaf eine Eigenheit von Wirbeltieren mit ihren relativ großen Gehirnen ist, und dass er von denen, den Gehirnen, entwickelt wurde: „Sleep is of the brain, by the brain and for the brain“, titelte der Schlafforscher und REM-Erkunder Allan Hobson (Harvard) 2005 in Nature (437, S. 1254).

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