Robuste Modelle, unsichere Zeiten

Florian Hubers Leidenschaft für die Volkswirtschaftslehre hat 2008 die Lehman-Brothers-Pleite geweckt.
Florian Hubers Leidenschaft für die Volkswirtschaftslehre hat 2008 die Lehman-Brothers-Pleite geweckt. (c) Hannolore Kirchner
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Seit vergangenem Oktober ist der 31-jährige Makroökonom Florian Huber Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Salzburg – der jüngste seiner Zunft in Österreich.

Wenn der österreichische Notenbankgouverneur, Ewald Nowotny, zu seinen Kollegen nach Frankfurt fährt, um in der Europäischen Zentralbank über geldpolitische Maßnahmen zu diskutieren, hat er Prognosen im Gepäck. Die volkswirtschaftlichen Vorhersagen, über die sich die Währungshüter unterhalten, basieren auf Modellrechnungen. Unter den Prognosen sind wahrscheinlich auch solche, die auf Modellen von Florian Huber beruhen.

Der 31-jährige Kärntner ist der jüngste Professor für Volkswirtschaftslehre in Österreich. Seit Oktober 2018 forscht und lehrt er an der Universität Salzburg. Sein Spezialgebiet sind Modellrechnungen, die möglichst verlässliche Prognosen für künftige wirtschaftliche Entwicklungen erlauben. Da geht es beispielsweise um Vorhersagen darüber, wie sich die europäische Wirtschaft entwickelt, wenn die amerikanische Notenbank Federal Reserve die Zinsen überraschend anhebt. Oder darum, was der Brexit für das ökonomische Wachstum heißt.

Durch Finanzkrise sein Fach gefunden

„Für die Notenbanken ist die Güte der Prognosen entscheidend“, erläutert Huber. Die Modelle sollen verlässlich und nicht zu kompliziert sein sowie möglichst viele Einflussfaktoren berücksichtigen. „Wir bemühen uns um robuste Aussagen über eine unsichere Zukunft“, beschreibt der Forscher seine Aufgabe. Der Blick auf die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge ist für seine Arbeit ebenso wichtig wie Mathematik und Informatik. Genau diese disziplinenübergreifende Herangehensweise ist es, die dem 31-Jährigen Spaß macht.

Dabei stand Volkswirtschaftslehre gar nicht im Fokus, als er nach der Matura an der Handelsakademie sein Studienfach wählte. „Ich wollte mich ursprünglich für Wirtschaftsinformatik inskribieren“, erzählt Huber. Sein Vater ist Landwirt, seine Mutter betrieb ein Gasthaus. Die akademische Karriere war ihm nicht in die Wiege gelegt, trotzdem sei für ihn immer klar gewesen, dass er studieren wolle.

Just in jenen Tagen, in denen Huber die ersten Lehrveranstaltungen an der Wirtschaftsuniversität Wien besuchte, ging die US-Investmentbank Lehman Brothers Pleite. Die Vorlesungen in Volkswirtschaftslehre griffen die Finanzkrise auf, sie waren aktuell wie kaum einmal, der junge Kärntner hatte sein Fach gefunden.

In seiner Dissertation entwickelte Huber Methoden, um Modellschätzungen für die Österreichische Nationalbank weiter zu verbessern. Seine Arbeit wurde mit dem Stephan-Koren-Preis ausgezeichnet, Huber wechselte von der Universität in die Nationalbank, um seine Modellrechnungen dort zu implementieren. Ein Jahr lang blieb er in der Notenbank, um schließlich wieder an die Universität zu wechseln. Der Nationalbank blieb er als Berater treu. Während er sich um den Lehrstuhl in Salzburg bewarb, arbeitete er an Modellrechnungen, die die voraussichtlichen Folgen des Brexit für die österreichische Wirtschaft und andere EU-Länder vorhersagen sollten. „Der Brexit wird negative Effekte haben“, ist sich der Wissenschaftler sicher. Besonders Deutschland mit seiner Autoindustrie werde darunter leiden. Die direkten Effekte auf die österreichische Wirtschaft schätzt er weniger gravierend ein als die indirekten, die unter anderem die Autozulieferindustrie treffen. Eine spannende Frage wäre, wo die Wirtschaft heute stünde, wenn es den Brexit-Schock nicht gegeben hätte, sagt der Makroökonom.

Der Blick über den Tellerrand reizt den Kärntner. Das war auch ein Grund dafür, dass er sich in Salzburg beworben hat. Hier gebe es die Möglichkeit, mit Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen zusammenzuarbeiten, erzählt er. Die immer stärkere Vernetzung und riesige Datenmengen, die mit entsprechender Rechnerleistung ausgewertet werden und in Modelle einfließen können, sind für die Zukunft spannende Forschungsfelder. Einer dieser Bereiche ist der Nachrichtendienst Twitter. Die Themen, die dort abgehandelt werden, könnten bei Prognosen helfen. „Das ist ein Schatz, der noch nicht gehoben ist“, ist er sich sicher und denkt darüber nach, wie er diese Daten in seine Modelle einfließen lassen kann.

ZUR PERSON

Florian Huber (31), gebürtiger Kärntner, ist seit Oktober 2018 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Salzburg. Er ist der jüngste Professor für Makroökonomie in Österreich. Huber hat Volkswirtschaftslehre an der WU-Wien studiert. Seine 2015 fertiggestellte Dissertation war dem Thema „Bayesianische Inferenz in globalen Vektor-Autoregressiven Modellen“ gewidmet.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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