Wort der Woche

Schlimmer Emittent?

Fleisch wurde in jüngster Zeit als schlimmer Emittent von Treibhausgasen verteufelt. Da tut eine differenziertere Betrachtung not.

Mit dem Wahlkampf ist auch die leidige und fruchtlose Debatte über das Schnitzel zu Ende gegangen – das manche am liebsten verbieten würden, andere mit Steuern belegen und viele als leistbares Vergnügen behalten wollen. Es ist zwar unbestritten, dass sowohl unsere Gesundheit als auch die Umwelt etwas von einem geringeren Fleischkonsum hätten – immerhin gehen fast zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft auf die Tierzucht zurück. Doch es ist zu kurz gedacht, wenn man glaubt, damit die Welt retten zu können. So simpel ist die Welt nicht.

Wenn man Fleisch weglässt, müssen die Nährstoffe aus anderen Quellen kommen. Und diese Umschichtung hat Folgen, die teils recht unerwartet ausfallen. So berichteten Forscher der Johns Hopkins University kürzlich, dass bei Berücksichtigung der realen Bedingungen in 140 Staaten ein völliger Fleischverzicht sogar zu einer Steigerung der Treibhausgas-Emissionen führen kann – u. a. deswegen, weil vermehrt zu Milchprodukten und Eiern gegriffen würde (Global Environmental Change, 16. 9.).

Weiter in die Tiefe gingen italienische Forscher um Marina Mistretta, die Lebenszyklusanalysen bei einem Schul-Catering-Dienst bezüglich verschiedenster Umweltauswirkungen durchführten. Dabei zeigte sich, dass zwar zwei Drittel des Treibhaus-Ausstoßes auf die Rohstoffe zurückgehen, dass aber auch Transport, Lagerung und Zubereitung nicht vernachlässigt werden dürfen (Science of the Total Environment 657, S. 1150). So stellte sich heraus, dass der Transport entscheidend für die Luftverschmutzung ist, dass es bei Kühlung und Zubereitung wesentlich ist, wo die Energie dafür herkommt, und dass die lokale Verfügbarkeit von biologisch angebautem Obst und Gemüse enorme Konsequenzen für die Umweltauswirkungen hat.

Interessante Einblicke gibt auch eine britische Forschergruppe um Natalia Sieti, die komplette Menüs von (industriell gefertigter) Babynahrung untersucht hat. Das Ergebnis: Neben den Rohstoffen sind v. a. Zubereitung und Verpackung entscheidend für die Umweltfolgen. Gemüse erforderte in dieser Fallstudie einen höheren Energie-Input als Fleisch, Milch oder Fisch. Daher schnitten vegetarische, fleischhaltige und fischbasierte Menüs ungefähr gleich gut ab, milchfreie Menüs deutlich schlechter (Sc. Tot. Env. 689, S. 899). Ein Resultat der Studie war indes erwartbar – und es ist keine gute Nachricht für ökobewusste Eltern: Spaghetti Bolognese hatten unter allen untersuchten Speisen die negativsten Auswirkungen auf die Umwelt.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum-Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.