Jeffrey Eugenides: Betrüger auf dem Holzweg

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Von Menschen in Ausnahmesituationen berichtet Jeffrey Eugenides in seinem Erzählungsband „Das große Experiment“: mit Witz und gedanklicher Weite.

Der 1960 als Enkel griechischer Einwanderer aus Kleinasien in Detroit/Michigan geborene Jeffrey Eugenides errang mit seinem Roman „Middlesex“ Weltruhm und 2003 den Pulitzer Preis. Die opulente Geschichte beginnt in einem kleinasiatischen Dorf und führt bis Detroit. In seinem ersten, 1993 erschienenen und 1999 von Sofia Coppola verfilmten, vergleichsweise schlanken Roman „Die Selbstmordschwestern“ gelingt es Eugenides, mit schauriger Ironie die unfassbare Geschichte der fünf schönen Töchter der Familie Lisbon zu erzählen, die sich – innerhalb eines einzigen Jahres! – alle das Leben nehmen. 2008 ediert Eugenides mit „Der Spatz meiner Herrin ist tot“ eine Auswahl von Liebesgeschichten der Weltliteratur, worin der als Austauschstudent nach Berlin gekommene und längere Zeit dort lebende Eugenides auch Musils „Tonka“ aufnimmt. Die Anthologie wirkt geradezu wie eine Vorhut auf den 2011 herausgekommenen voluminösen Roman „Die Liebeshandlung“, in dem sich die Themen zwischenmenschlicher Liebe und Liebe zur Literatur auf großartige Weise verschränken.

Nun legt Jeffrey Eugenides die Erzählsammlung „Das große Experiment“ vor, in dem sich mancher Widerhall aus früheren Werken findet – Mitchell aus der „Liebeshandlung“ etwa taucht in „Air Mail“ als in einem thailändischen Inselparadies an Amöbenruhr Leidender und auf dem Weg zur Klohütte neue Erkenntnisse über das Leben Gewinnender ebenso auf, wie in „Das Orakel der Vulva“ die Hermaphroditen-Thematik aus „Middlesex“ abgehandelt wird. Dabei hat der Autor seine zehn, zwischen 1988 und 2017 entstandenen Erzählungen nicht chronologisch angeordnet, sondern erkennbar dramaturgisch motiviert: So eröffnet sich die große Bandbreite an Themen, Charakteren, Schauplätzen sowie Milieus der Geschichten, in denen man häufig auf Menschen in Ausnahmesituationen (von unterschiedlicher Dramatik) trifft. Durchwegs nicht so schrill und schräg wie in „Die Bratenspitze“, in der sich Frauen knapp vor dem Ende der Gebärfähigkeit noch auf außergewöhnliche Weise männlichen Samen beschaffen. Mit zwei anderen Erzählungen erschien diese schon einmal im schmalen Bändchen „Air Mail“, was der neuen Sammlung keinen Abbruch tut.

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