Autonom altern. Nicht dahinsiechen. Geistig rege bleiben. Und vor allem: frei sein. So stellen wir uns das Altern vor. Im Idealfall. Ein Besuch bei Edith Rapp, 84 Jahre alt, Vielleserin.
Wenn ich einmal alt bin. Dieser Gedanke beschäftigt mich manchmal. Wenn ich einmal alt bin. Wenn ich unser jetziges Daheim nicht mehr brauche, jenen Ort, an dem sich in wenigen Tagen 17 Menschen treffen werden. Tendenz steigend. Unsere Kinder sind jung, auch sie werden noch Kinder haben. Tendenz steigend also. Davon gehen wir aus. Wenn ich einmal alt bin und das Haus zu groß wird. So der präziser formulierte Gedanke. Weil die Familie sich dort nicht mehr trifft. Was mache ich dann mit diesem großen Haus? Wenn die Kinder und Kindeskinder nicht mehr kommen, wenn Verwandte gestorben sind oder in einem Altersheim sitzen. Wenn mir der Garten zu mühsam wird, weil er nach nichts aussieht, da ich ihn nicht mehr pflegen kann. Wie der Garten meiner Oma, lange nach dem Tod des Großvaters. Dort überkam mich als Kind schon dieser Gedanke: Wenn ich einmal alt bin. Der Garten meiner Oma nämlich sah traurig aus. Alles vergeht, auch die steinerne Einsäumung eines Gemüsebeetes.
Meine Frau und ich, wir leben in einer Art Zwischenzeit. Unsere Kinder sind groß, erwachsen. Jedoch nicht erwachsen genug, um selbst Kinder zu haben. Sagen sie. Das habe noch Zeit. Und wir, im potenziellen Großelternalter angelangt, atmen noch einmal durch, reisen viel, besuchen Konzerte, gehen essen und ins Theater. Einzig zwei Katzen sind uns noch verantwortet. Sie beherrschen das Haus, haben die Zimmer unserer Kinder längst annektiert. Eines davon baue ich demnächst um, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, es so zu tun, dass es für eines meiner Kinder später wieder als Kinderzimmer verwendbar bleibt. Dem Altern und den damit verbundenen Gedanken scheine auch ich nicht zu entkommen. Die Symptome sind da, sind nicht zu leugnen.