Warum Italiens Topklubs in Saudiarabien spielen

Egal, wo und wann: Cristiano Ronaldo will Juventus zum Sieg führen.
Egal, wo und wann: Cristiano Ronaldo will Juventus zum Sieg führen.(c) APA/AFP/MARCO BERTORELLO
  • Drucken

AC Milan und Juventus suchen am Mittwoch im King-Abdullah-Stadion von Dschidda den Supercoppa-Sieger. Ronaldos Tore dienen vorrangig neuen Geschäfts- und Politzwecken, dafür dürfen Frauen erstmals allein ins Stadion.

Dschidda/Rom. Formel 1 in Bahrain oder Abu Dhabi, Tennisturnier in Doha, Fußballtrainingslager in Katar, WM 2022, Golf in Dubai – oder sogar ein italienisches Supercupfinale in Saudiarabien: Sport wird in der Golfregion groß vermarktet, von Königshäusern forciert und von Herrschern auch hoch dotiert. Jetzt zeigen sich Spieler des AC Milan und von Juventus mit Scheichs, machen Selfies und suchen am Mittwoch in Dschidda (18.30 Uhr, live, Dazn) ihren Champion. Doch, wie so oft, es läuft nicht nur Euphorie über teuer verkaufte Spiele in exotischen Destinationen damit einher.

Stars wie Cristiano Ronaldo sollen Glanz ins Land bringen, doch sein Auftritt in Dschidda wird seit Wochen von harscher Kritik überschattet. Sieben Millionen Euro, klagen Institutionen wie Amnesty International, lasse sich Saudiarabien ein Fußballspiel kosten, und Vertreter der Serie A hätten die verdoppelten Einnahmen eingestreift, ohne nachzudenken. Zwei weitere Endspiele folgen, also sind es 21 Millionen Euro.

Und Verletzungen der Menschenrechte? Der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi oder Bombardierungen im Jemen?

Es sind stets die gleichen Ansätze, die Sportereignisse in Diktaturen oder Autokratien anprangern. Vom Sport wird dann verlangt, was Politik und Wirtschaft oft verweigern: offen Position zu beziehen. In Italien wetterte immerhin der Verbraucherschutzverband Codacons dagegen und rief den TV-Sender Rai zum Boykott auf.

Fußball nein, Waffen ja

Auch Politiker empörten sich, dem rechten Hardliner-Innenminister Matteo Salvini, er ist Milan-Fan, passte es allerdings ins Programm: „Ein Spiel mit Schleiern und Burkas, das halte ich nicht aus. Und Werte wie Freiheit, die in Italien mit jahrelangen Kämpfen errungen worden sind, werden im Namen des Geschäfts geopfert.“ Dass er selbst in Doha mit einem Maschinengewehr fotografiert wurde, einem italienischen Fabrikat, blieb unerwähnt. Freilich, da ging es ja nur ums Geschäft.

Auswärtsendspiele sind in Italien seit 1993 aber keine Seltenheit. Doha, Tripolis, Peking, Shanghai, Dschidda – es sind Austragungsorte der Supercoppa. Jetzt kam Saudiarabien zum Zug, das im Rahmen der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform „Vision 2030“ massiv in die Unterhaltungsindustrie investiert.

Absagen gibt es in der Golfregion selten. Zuletzt sorgte der finnische Fußballer Riku Riski für Aufsehen, weil er das Trainingslager in Katar aus „ethischen Gründen“ verweigerte. Ein Showmatch der Tennisstars Rafael Nadal und Novak Djoković fand im Dezember wohl nur ob der Verletzung Nadals nicht statt. Nach einem Länderspiel gegen Argentinien jubelte der Brasilianer Neymar mit Offiziellen in die Kameras. Die Formel E feierte den Saisonauftakt in Riad, bei Konzerten von Enrique Iglesias und den Black Eyed Peas durften Frauen und Männer, die sonst im öffentlichen Raum getrennt sind, gemeinsam feiern. Auch bei der Ronaldo-Gala dürfen Frauen, die in Saudiarabien auch Autofahren dürfen, allein im Stadion sein – auf der Tribüne für Familien.

Es geht nicht bloß um Image und Beruhigung der globalen Kritik. Es geht um Geld und Politik. Und Sport öffnet die Türen. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.