Australian Open: Feingefühl statt Kugelhagel

21-jährige Vorreiterin: Naomi Ōsaka
21-jährige Vorreiterin: Naomi Ōsaka(c) APA/AFP/ASANKA BRENDON RATNAYAKE
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Im Damentennis dominiert das kraftvolle, aber wenig ideenreiche Grundlinienspiel. Doch eine neue, hochbegabte Garde ist auf dem Vormarsch und das Feld offen wie nie zuvor.

Melbourne/Wien. Die jüngsten acht Grand-Slam-Turniere brachten acht verschiedene Siegerinnen, das hat es im Damentennis seit den 1930er-Jahren nicht mehr gegeben. Es ist eine enorme Bandbreite, die sich in der erweiterten Weltklasse tummelt: Australian-Open-Favoritin Serena Williams ist 37 Jahre alt, zu ihren größten Rivalinnen zählt die erst 21-jährige US-Open-Siegerin Naomi ?saka. Auch geografisch sind in den Top 15 Nordamerika, Europa, Asien und Australien vertreten. Und mit Ons Jabeur, 24, stand im Vorjahr die erste Araberin in einem WTA-Finale.

Auffallend dabei: Jene Spielerinnen, die mit ihrem kraftvollen, geraden und gern als ideenlos kritisierten Grundlinienspiel seit Jahren die Damentour dominieren, geraten immer mehr unter Druck. Das Spiel wird wieder variabler, Profis mit beachtlichem Schlagrepertoire marschieren in den Rankings nach oben: Darja Kasatkina (21 Jahre, WTA 10) etwa ist mit tückischer Topspin-Vorhand und überragendem Ballgefühl ausgestattet, Anastasija Sevastova (28, WTA 12) verfügt über einen gefährlichen Rückhand-Slice und spielt die derzeit besten Stoppbälle, Ashleigh Barty (22, WTA 15), die sich zwischenzeitlich als Cricketspielerin versuchte, ist trotz 1,66 m eine der besten Netzspielerinnen, ihr zweiter Aufschlag – die Achillesferse vieler Spielerinnen – ist einer der gefährlichsten auf der Tour.

Das beste Gesamtpaket dieser neuen Garde aber vereint Naomi Ōsaka (21, WTA 4). Die in den USA aufgewachsene Japanerin, einst ebenfalls auf wuchtiges Grundlinienspiel beschränkt, feilte an ihrem Repertoire, wurde fitter und überzeugte plötzlich auch in der Defensive. Mit ihrem unbeschwerten Spiel gewann sie im September die US Open. Auch die ehemalige Nummer eins, Viktoria Azarenka, vor ihrer Babypause eine der kompromisslosesten Angriffsspielerinnen, kehrte mit neuen Finessen zurück. Fazit: Die Damen werden zu kompletteren Spielerinnen, die Matches werden taktischer geprägt. So passt es auch ins Bild, dass ?saka im Finale von New York mit Serena Williams ausgerechnet jene Spielerin besiegte, die die Ära des Grundlinien-Powertennis einst mitbegründete.

Mit Ausnahme von Ōsakabesteht der Favoritenkreis bei den Australian Open aber noch aus dieser alten Garde. Sloane Stephens, Karolína Plíšková, Petra Kvitová, Madison Keys, Garbiñe Muguruza und auch Marija Scharapowa sind allesamt siegreich ins Turnier gestartet. Ebenso die 20-jährige Weißrussin Aryna Sabalenka, die Gewinnschläge aus allen Lagen produziert und im Herbst im Ranking auf Platz elf stürmte.

Bringt man diese meist groß gewachsenen Damen aber ins Laufen, stört man ihr Timing, dann straucheln sie. Ihr Spiel ist zu risikoreich, zu oft entscheidet die Tagesform über Sieg oder Niederlage. Jeļena Ostapenko, die sich 2017 zum French-Open-Titel geballert hatte, verabschiedete sich bereits aus Australien. Während der Abwesenheit von Williams konnte sich auch niemand an der Spitze festsetzen, einzig die Defensivkünstlerinnen Simona Halep (WTA 1) und Caroline Wozniacki (3) zeigten Konstanz. Ihr Duell im Vorjahresfinale von Melbourne war zwar ein packender, aber ein eintöniger Abnützungskampf.

Das Feld ist also offen wie nie zuvor. Vor Beginn der Australian Open hatten nicht weniger als zehn Spielerinnen die Chance, Halep als Nummer eins abzulösen.

Australian Open 1. Runde

Damen (Auswahl): Halep (ROU-1) – Kanepi (EST) 6:7 (2), 6:4, 6:2, Ōsaka(JPN-4) – Linette (POL) 6:4, 6:2, Switolina (UKR-6) – Golubic (SUI) 6:1, 6:2, Ka. Plíšková (CZE-7) – Muchová (CZE) 6:3, 6:2, Bacsinszky (SUI) – Kassatkina (RUS-10) 6:3, 6:0, Sevastova (LAT-13) – Barthel (GER) 6:3, 6:1, S. Williams (USA-16) – Maria (GER) 6:0, 6:2, Keys (USA-17) – Aiava (AUS) 6:2, 6:2, Muguruza (ESP-18) – Zheng (CHN) 6:2, 6:3, Siegemund (GER) – Asarenka (BLR) 6:7 (5), 6:4, 6:2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2019)

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