Die Lauberhorn-Abfahrt gilt als Weltcupklassiker. Hannes Reichelt erklärt Piste und „Überwindung“.
Wengen. Hundschopf, Canadian-Corner, Haneggschuss – es gibt sie eben. Diese neuralgischen Punkte, an denen man echte Skiklassiker wie in Wengen festmachen kann. Oder die Mausefalle in Kitzbühel, Kamelbuckel in Gröden, der Freie Fall in Garmisch – und jetzt sind die Skiherren wieder auf der Lauberhorn-Abfahrt unterwegs. Mit 110 km/h zum „Kernen-S“, es kann danach noch schneller werden bis zu 160 km/h. Viereinhalb Kilometer lang ist diese Skipiste, mit einer Fahrzeit von circa 2:30 Minuten auch eine der längsten im ganzen Weltcupzirkus.
Es kommt nun Schlag auf Schlag: Wengen, Kitzbühel, Garmisch-Partenkirchen, die Speed-Herren haben Hochsaison vor der WM im schwedischen Åre (vom 5. bis 17. Februar). Dass manche Strecke in ihrer Struktur und Bauweise aber längst gefährlich anmutet, dessen ist sich Hannes Reichel bewusst. Der ÖSV-Veteran und Jungvater, 38, weiß, dass Passagen wie das S-Brüggli in der Gegenwart vom Weltverband FIS nicht mehr abgenommen werden würden. Reichelt, 2015 Gewinner des Spektakels in Wengen sowie dreimal Zweiter, sagt: „Du brennst mit 110 km/h hin, musst geduldig und überzeugt von dem sein, was du da tust. Es ist eine Überwindung!“
Reichelt, der als Athletensprecher („Kannst nichts bewegen, und ich will mehr zeit für die Familie haben“) abdankte, sprach aber auch den fehlenden Wiedererkennungswert neu gebauter Abfahrten, wie bei fast jeder Olympiaabfahrt etwa, an. Sturzräume seien gut, aber: „Wenn der Zuschauer daheim nicht mehr weiß, in welcher Passage sich der Läufer befindet, weil alles gleich runtergeht, ist das nicht der richtige Ansatz.“ Wenn man sich indes während der Wengen-Abfahrt (13 Kilometer Sicherheitsnetze) ein Getränk hole und zurückkomme, wisse jeder, an welcher Stelle sich der Läufer gerade befinde. Und: „Je eher der Laie sieht, ob bekannte Passagen gut oder schlecht erwischt worden sind, desto interessanter ist es.“ Das ist wiederum auch ein Verdienst einer anderen hohen Kunst: der Kameraführung.
Noch kein Podestplatz
In Wengen muss es für Reichelt aufwärtsgehen, denn mit der bisherigen Saison ist er nicht zufrieden. Nicht jeder Materialpoker brachte den gewünschten Erfolg. Im Super-G wurde er Vierter in Lake Louise, Neunter in Gröden. In der Abfahrt wurde er Siebenter in Beaver Creek und Zehnter in Gröden. Er braucht Resultate – für die WM und für sich als zwingend notwendige Selbstbestätigung.
Das Training zuletzt in Südtirol in Sulden mit dem Schwiegervater und danach mit den Teamkollegen im Ultental hat Reichelt zumindest neue Zuversicht gebracht. „Es ist super, dass wir jetzt mit Wengen, Kitzbühel und Garmisch vor der WM Toprennen haben. In Hinblick auf die Qualifikation ist das auch gut, dass wir noch drei Klassiker haben, bei denen man zeigen kann, dass man zum Aufgebot dazugehört.“ Oder eben nicht. (fin)
TRAINING IN WENGEN
Beat Feuz markierte im ersten Training zur Wengen-Abfahrt am Samstag Bestzeit (2:29,49 Min.) gefolgt vom Schweizer Landsmann Mauro Caviezel (+1,16 Sek.) und Matthias Mayer (1,27).
Auch Kriechmayr (5., 1,41) Reichelt (7., 1,74), Striedinger (8., 1,85) und Franz (9., 1,93) fuhren in die Top Ten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)