550. Geburtstag: Des Fuggers Geld regierte die Welt

Vom Private Banker zum Global Player: Jakob Fugger war fromm, gerissen und der erste Kapitalist. Noch heute beten die Bewohner seiner Sozialsiedlung jeden Tag für das Seelenheil des reichsten Mannes der Renaissance.

Jakob plagte schon vor der Hochzeit das schlechte Gewissen. Er würde nie Zeit haben für seine junge Braut. Jeden Tag stand er zwölf Stunden im Kontor, um den Reichtum seiner Familie zu mehren. Wie Sybille trösten? Er kaufte seinem Schatz den Schatz der Burgunder, für 40.000 Gulden. Endlich konnte „Jakob der Reiche“ einmal zeigen, dass er längst mehr besaß als Kaiser und Papst zusammen – und das aus eigener Kraft. Doch gleich nach der Hochzeit versteckte der Asket die Juwelen im Keller, fern der Blicke seiner zahllosen Neider.

Mit Fug und Recht kann man den Fugger, dessen 550. Geburtstag sich jährt, als den ersten Kapitalisten bezeichnen. In den Augsburger Steuerbüchern tauchte der sechste Sohn eines Kaufmanns erstmals 1479 auf, mit einem Vermögen von 60 Gulden. Als er 1525 starb, war sein „Geschäft“ zwei Millionen Gulden wert. Das entspräche heute dem 1,5-fachen Vermögen von Bill Gates. Jakob Fugger war der reichste Mensch der Welt, und er mehrte seinen Reichtum mit einer Rendite von zwölf Prozent per annum.

Geniales Geschäftsmodell. Die Story dahinter ist Weltgeschichte als Geldgeschichte. Das Geschäftsmodell war ebenso gerissen wie genial. Fugger verschaffte sich das Vertrauen jenes Fürstenhauses, dem er das größte Potenzial zutraute: den Habsburgern. Schon sein erstes Opfer, Herzog Sigismund, hatte von finanziellen Dingen keine Ahnung, aber einen unstillbaren Geldbedarf für Kriege, Schlösser und Hofhaltung. Freund Jakob gewährte ihm immer neue Kreditlinien und sicherte sie mit Tiroler Kupfer- und Silberminen ab. Er übernahm auch gleich deren Verwaltung und streifte den Profit aus der Veredelung ein. Weil der Habsburger nicht in der Lage war, seine Schulden zu tilgen, kamen die Bergwerke bald in Fugger'schen Besitz. Im Lauf der Zeit entstand ein Monopol. Ländereien und Handelsrechte kamen dazu. Mit den Kaisern Maximilian und Karl V. trieb Jakob ein noch raffinierteres Spiel. Er machte sie gleich vom Start weg abhängig, indem er ihre Kaiserwahl mit Unsummen an Schmiergeldern an die Kurfürsten finanzierte.

Woher aber kam das Geld „Jacobos“, wie er sich seit seinem Lehrjahr in Venedig nannte? Vor allem aus Einlagen von Bischöfen und Kardinälen. Die retteten so ihre Pfründe vor den Begehrlichkeiten des Papstes (den Jacobo genauso als Kunden führte), und streiften, doppelt sündhaft, auch noch Zinsen dafür ein. Solche Geschäfte verlangten freilich größte Diskretion. Und nur der Fugger bot sie, wie ein Schweizer Privatbankier unserer Tage.

Globalisierer ohne Skrupel. Nicht einmal seinem engsten Vertrauten, dem Buchhalter Schwarz, gewährte er Einblick in das „Hofbuch“ mit den Konten des Hochadels und der Kurie. Skrupel kannte er keine: Im Krieg lieferte er Waffen an beide Seiten. Dem Angreifer finanzierte er Söldner, dem Verteidiger den Ausbau seiner Burg. Immerhin verhinderte sein Kapital auch die Eroberung Wiens durch die Türken.

Als Stratege könnte Jakob Fugger noch heute als Vorbild dienen: Er war flexibel, ein Wegbereiter der Globalisierung und aufgeschlossen für Innovationen. Magellan finanzierte er die Weltumseglung. Auf die neue Indienroute der Portugiesen setzte er, als noch alle anderen über die Seidenstraße lieferten. Rasch stand er auch im Gewürzhandel an vorderster Front.

So wurde das Handelshaus Fugger der erste multinationale Konzern, mit Stützpunkten von Krakau bis Lissabon, verbunden durch ein exzellentes Netz von Blitzkurieren. Seinen Informationsvorsprung dokumentierte der Augsburger in den „Fuggerbriefen“. Oft genug nutzte er diese erste Wirtschaftszeitung der Welt auch dazu, gezielt Falschmeldungen zu verbreiten.

Ganz nebenbei führte Fugger noch die doppelte Buchhaltung in Deutschland ein, forcierte den eben erst erfundenen bargeldlosen Zahlungsverkehr und schuf Grundlagen für die Gestaltung von Kreditverträgen, die heute noch Gültigkeit haben. Politisch und religiös aber blieb Jacobo konservativ, ja reaktionär. Aufstände seiner Bauern und Minenarbeiter, die nur wenig mehr verdienten als die elenden Knechte anderer Herrn, ließ er mit kaiserlichen Truppen niederschlagen. Dem Volk machte er sich verhasst, als er den Ablasshandel finanzierte – womit er Luthers Reformbewegung, die er für Teufelswerk hielt, ungewollt zum Durchbruch verhalf.

Verunsichert von soviel Missgunst, gründete Fugger in seinen letzten Jahren noch rasch die erste Sozialsiedlung der Welt: die Fuggerei in Augsburg. Noch heute wohnen dort 180 arme Leute. Ihre Miete: ein knapper Euro, „kalt“, pro Jahr – und täglich drei Gebete für den Stifter und seine Familie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2009)

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