Kann die EZB die Wirtschaft retten?

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Heute entscheidet die EZB über die Geldpolitik. RBI-Chefökonom Brezinschek stellt neue Impulse infrage, da die Politik Ursache der Konjunkturabkühlung sei. Rund um den Globus sinken die Zinsen bereits.

Wien. Es ist noch keine ausgemachte Sache, welche geldpolitischen Weichen die Europäische Zentralbank am heutigen Donnerstag stellen wird. Die Richtung, in die es gehen soll, ist aber klar – die Zügel werden wohl gelockert. Notenbank-Chef Mario Draghi selbst hat die Erwartungen der Finanzmärkte dahingehend geschürt. Bei der jüngsten Sitzung des EZB-Rates teilte er mit, dass „signifikante geldpolitische Impulse“ aufgrund der lahmenden Weltkonjunktur notwendig seien.

RBI-Chefökonom Peter Brezinschek kritisierte das am Mittwoch vor Journalisten als „süffisantes Spiel“. Denn die Märkte hören zu, wenn Draghi spricht – was wiederum sich verändernde Zinskurven und Prognosen zur Folge habe. „Und dann heißt es, wir wollen die Märkte nicht enttäuschen“, so Brezinschek.

In den vergangenen Wochen habe es deshalb im EZB-Rat Stimmen gegeben, die dafür plädierten, mehr auf die Fundamentaldaten und weniger auf die Erwartungen zu achten. Selbst Österreichs ehemaliger Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny teilte in einem seiner Abschiedsinterviews (er ging Ende August in Pension) mit: „Ich bin der Auffassung, dass Notenbanken die entscheidende Institution sein sollen, die von daher auch manchmal Märkte enttäuschen müssen.“

„Politik verlässt sich auf EZB“

Die Ursache des Abschwungs finde auf politischer Ebene statt, sagt Brezinschek. Doch verlasse sich die Politik immer mehr auf die Notenbank, da sie „die einzige handlungsfähige Institution in Europa ist“. Die Konjunktur werde sich aber nicht aufhellen, „weil ihre Ursache nichts mit der Geldpolitik zu tun hat“.

Fundamental betrachtet ziehen die Ausleihungen im privaten Sektor an, die Geldmenge steigt, und bei der Lohnentwicklung gab es in drei aufeinanderfolgenden Quartalen Zuwächse – die stärksten seit zehn Jahren. Selbst eine Deflation sah man in der Eurozone bisher noch nie. Daher stelle sich die Frage der Sinnhaftigkeit weiterer EZB-Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur.

Im Juli hatte die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen erstmals seit der Finanzkrise aufgrund der Handelsstreitigkeiten der USA mit China gesenkt. Dem Beispiel folgten zahlreiche Zentralbanken rund um den Globus. In Südkorea, Australien, Neuseeland oder Russland legte man wieder den Rückwärtsgang ein.

Ein großer Unterschied der EZB zur USA bleibt aber nach wie vor bestehen: Während sich die US-Notenbank in den vergangenen Jahren einen geldpolitischen Spielraum schaffen konnte, ist man in Europa weit davon entfernt. „Die EZB hat die Krise zwar hervorragend gemeistert“, sagt Brezinschek. „Aber im Aufschwung hat man eine Normalisierung der Zinsen verabsäumt, um Reserven aufzubauen.“ Der Leitzinssatz der EZB liegt seit Jahren bei null Prozent.

Dies führt auch zu einer Umverteilung von Vermögen. Während Sparer mit Nullzinsen leben müssen, steigen Aktien- und Anleihenkurse. Auch Firmen nutzen günstige Konditionen auf dem Kapitalmarkt, um sich zu refinanzieren. „Doch die Firmen investieren nicht, sie schulden um“, sagt Brezinschek. „Für das Konjunkturklima ist die EZB nun einmal nicht verantwortlich.“

Sollte die Notenbank ihr Anleihenkaufprogramm wieder aufnehmen, müsste sie auch ihre Bedingungen ändern, so Brezinschek. Die Zentralbank habe sich selbst Kaufobergrenzen (maximal 33 Prozent pro Land und Anleihe) auferlegt. In den Niederlanden hat sie diese Schwelle bereits überschritten, in anderen Staaten ist sie auf dem besten Weg dorthin.

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