Der Staat frisst Lohnerhöhungen auf

die Presse (Bruckberger)
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Die 2,6 Prozent Brutto-Lohnerhöhung fallen zur Gänze der Inflation und Steuer zum Opfer. Vor sieben Jahren bezahlten 150.000 den Spitzensteuersatz, heute sind es 350.000 Österreicher.

WIEN. Bei den am Freitag eingeläuteten Kollektivvertragsverhandlungen stehen die Zeichen heuer zwar auf etwas stärkere Lohnsteigerungen als zuletzt. Den Arbeitnehmern dürfte davon aber nicht viel in der Tasche bleiben: Die Wirtschaftsforscher rechnen damit, dass Inflation und „kalte Progression“ einen Großteil der Kaufkraftverbesserung wegfressen. Die Steuerbelastung steigt nämlich seit langem ständig (außer in Steuerreform-Jahren) an – bei gleichbleibenden Steuersätzen –, weil nominelle Lohnerhöhungen viele Arbeitnehmer in höhere Steuer-Progressionsstufen schieben.

Die am Freitag vorgelegte Konjunkturprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) liefert Aufschluss darüber, wie sehr die kalte Progression zuschlägt: Heuer werden die Bruttoverdienste pro Kopf im Schnitt um 2,6 Prozent über dem Vorjahr liegen. Das sieht auf dem Lohnzettel gut aus, sagt aber noch gar nichts. Denn die erwartete Inflationsrate von 1,9 Prozent reduziert den realen Einkommenszuwachs auf 0,7 Prozent. Und diese 0,7 Prozent werden durch Steigerungen bei den Sozialabgaben und durch die „kalte“ Steuerprogression zur Gänze aufgefressen. Unterm Strich bleibt real (bezogen auf die Kaufkraft) trotz 2,6 Prozent Brutto-Lohnerhöhung somit kein Zuwachs übrig.

Kalte Progression schlägt zu

Ähnlich wird es im kommenden Jahr aussehen, für das die Wirtschaftsforscher eine dreiprozentige Steigerung der Bruttolöhne voraussehen: Nach Abzug der erwarteten Inflation bleibt ein Prozent reale Bruttolohnsteigerung. Und unterm Strich lässt die kalte Progression gerade noch 0,3 Prozent reale Nettolohnerhöhung zu. 90 Prozent der ausverhandelten Lohnerhöhungen werden also von Inflation, Steuer- und Abgabenerhöhung geschluckt, die Kaufkraft steigt nur um ein Zehntel der Bruttolohnsteigerung.

„Vor sieben Jahren fielen 150.000 Österreicher in den Spitzensteuersatz. Heute sind es 350.000“, sagt Finanzminister Wilhelm Molterer zur „Presse“. Bei der Diskussion über eine Steuerreform werde es daher auch um die Frage gehen, ob und wann die Einkommensgrenzen für Steuersätze an die Inflationsrate angepasst werden.

Denn die derzeitige Einkommensgrenze von 51.000 Euro, ab der der Spitzensteuersatz von 50 Prozent gezahlt werden muss, ist seit 18 Jahren in Kraft. Seither blieben die Grenzen unverändert. Hätte man die Einkommensgrenze sukzessive der Inflation angepasst, dann würde der Spitzensteuersatz von 50 Prozent heute erst bei Einkommen von mehr als 75.000 Euro greifen.

Ein Weg zu sinkenden Steuern könnte laut Molterer über erhöhten Steuerwettbewerb in den Ländern führen. Die Länder haben zwar im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen jegliche Steuerautonomie abgelehnt. Molterer: „Aber das ist noch nicht vom Tisch, natürlich wird das bei den Verhandlungen zur Staatsreform ein Thema sein“.

Wer finanziert den Sozialstaat?

Genau verfolgen werden die Steuerzahler die Debatte um die Senkung der Lohnnebenkosten. Auch innerhalb der ÖVP wird eine Finanzierung der Sozialversicherung aus dem Budget auffallend heftig diskutiert. Zuletzt hatte sich Molterer ja noch für eine Verbreiterung der Abgabenbasis eingesetzt. Demnach sollten auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Finanzierung des Sozialsystems herangezogen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2007)

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