Mega-Streiks in Frankreich und Deutschland: Bahn-Chaos in Europa

(c) EPA (Yoan Volat)
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Nur noch 15 Prozent der französischen Züge fahren, der Pariser Nahverkehr steht nahezu still. In Deutschland legen die Lokführer nach - mit dem größten Streik der deutschen Bahngeschichte.

In Frankreich hat eine Streikwelle gegen die geplante Rentenreform von Präsident Nicolas Sarkozy zu einem Verkehrschaos geführt. Mitarbeiter im Pariser Nahverkehr sowie der Gas- und Stromversorger GdF und EdF schlossen sich am Mittwoch dem unbefristeten Ausstand an, den die Eisenbahner am Dienstagabend begonnen hatten. Der Dienst der Pariser Busse und der Metro war erheblich eingeschränkt.

Nach Angaben der Bahngesellschaft SNCF fuhren nur noch 15 bis 20 Prozent der Züge. In Paris wird der gesamte Metro-Verkehr - mit Ausnahme der Nord-Süd-Linie 14 - zum Stillstand kommen. Das kündigte die Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP an.

Sarkozy schließt Nachgeben aus


Der Streik könnte der größte in Frankreich seit mehr als einem Jahrzehnt werden. Arbeitsminister Xavier Bertrand plante für den Tagesverlauf mehrere Treffen mit Gewerkschaftsvertretern.

Unmittelbar vor Beginn des Streiks hatte Sarkozy ein Krisentreffen mit den Führungen der betroffenen Unternehmen abgehalten. Ein Nachgeben schloss er aber kategorisch aus. Ein Kernpunkt seiner Politik ist eine Rentenreform im staatlichen Sektor, wo die Beschäftigten deutlich früher in den Ruhestand gehen können als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Dieses Privileg will Sarkozy abschaffen, weil seiner Darstellung zufolge sonst die Pensionen bald nicht mehr zu bezahlen sind.

Die Eisenbahner hingegen argumentieren, dass das niedrige Rentenalter eine Entschädigung für die ihrer Meinung nach geringe Bezahlung und die belastenden Arbeitszeiten sei.

Größter Streik der deutschen Bahngeschichte


Indes setzen die Lokführer der GDL die Deutsche Bahn mit immer massiveren Streikwellen unter Druck. Zunächst trifft es von heute (Mittwoch) Mittag an den Güterverkehr. Am Donnerstag wird es dann aber auch für die Privatkunden hart: Von 2.00 Uhr an wird 48 Stunden lang der Arbeitskampf auf den Personenfern- und Nahverkehr ausgeweitet. So solle bundesweit der gesamte Bahnverkehr bis Samstag 2.00 Uhr zumindest erheblich gestört werden, kündigte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), Manfred Schell, am Dienstag an. Der Konzern sprach vom größten Streik der Unternehmensgeschichte.

Die Bahn blieb trotz der erneuten Eskalation im Tarifstreit um einen eigenen Tarifvertrag für das Fahrpersonal und bis zu 31 Prozent mehr Entgelt hart und legte kein neues Angebot vor. Notfahrpläne sollen in den kommenden Tagen wenigstens einen eingeschränkten Personenverkehr sichern. Über Verbindungen können sich Bahnkunden von Mittag an auf der Bahn-Internetseite oder telefonisch informieren.

Im Fernverkehr sollen zwei Drittel aller Züge fahren, vor allem die ICE, sagte Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch. Bei den Intercitys werde der Verkehr ausgedünnt sein. Im Nahverkehr will die Bahn wie an bisherigen Streiktagen bis zu 50 Prozent der Züge fahren lassen - mit Lokführern, die Beamte oder in anderen Gewerkschaften organisiert sind.

Schell: Unbefristete Streiks möglich


Schell drohte zudem mit einer weiteren Eskalation: Wenn auch die neuen Streiks nicht zum Erfolg führten, werde der GDL-Vorstand nicht umhinkommen, dem zunehmenden Drängen der Mitglieder zu unbefristeten Streiks nachzugeben.

Der Vorstand lasse sich nicht von einer kleinen Gruppe erpressen, sagte Bahn-Personalvorstand Margret Suckale. Im Güterverkehr wurde ein Annahmestopp für Sendungen von und nach Ostdeutschland verhängt, wie Frachtvorstand Norbert Bensel sagte. Der Streik könnte den dortigen Frachtverkehr fast völlig lahmlegen, befürchtete die Bahn. Gesichert werden solle aber eine Minimalversorgung mit versorgungsrelevanten Zügen im Osten sowie eine Grundversorgung im Westen. Ein Streik in Frankreich wird den Verkehr in das Nachbarland zusätzlich behindern.

Die deutsche Wirtschaft rechnet unterdessen wegen des angekündigten Lokführerstreiks mit erheblichen Auswirkungen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warne vor Produktionsengpässen in einigen Bereichen, durch die hohe Kosten für die Firmen entstehen würden, berichtete die Zeitung "Bild" (Mittwochsausgabe).

"Endlich Vernunft walten lassen"


Der Präsident des DIHK, Ludwig Georg Braun, sagte der Zeitung: "Zigtausenden Beschäftigten droht Kurzarbeit, weil der Nachschub fehlt". Der Verbandschef verlangte eine zügige Beilegung des Konflikts und appellierte "vor allem an die GDL, endlich Vernunft walten zu lassen". (Ag./Red.)

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