Weltweite Proteste: Die Rückkehr der Brotrevolten

Von Mexiko über Mauretanien, Jemen und Senegal bis Usbekistan und Indonesien treibt die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise zornige Bürger auf die Straße (im Bild: Mexiko)
Von Mexiko über Mauretanien, Jemen und Senegal bis Usbekistan und Indonesien treibt die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise zornige Bürger auf die Straße (im Bild: Mexiko)(c) AP (Miguel Tovar)
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Die stark steigenden Lebensmittelpreise lösen soziale Unruhe von Ägypten bis Pakistan aus. Einige Regime geraten gefährlich unter Druck.

Noch sind es vereinzelte Proteste wie Stichflammen. Doch sie lodern in einem Land nach dem anderen auf: Von Mexiko über Mauretanien, Jemen und Senegal bis Usbekistan und Indonesien treibt die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise zornige Bürger auf die Straße.

10.000 Menschen zogen unlängst vor den Präsidentenpalast der indonesischen Hauptstadt Jakarta, weil Sojabohnen nun doppelt so teuer sind wie vor einem Jahr. In Pakistan, nach dem Mord an Oppositionsführerin Bhutto ohnehin am Rande des Abgrunds, formierten sich Demonstrationszüge, weil Mehl und Brot plötzlich viel mehr kosten.

Ob Weizen, Reis, Mais, Milch oder Ölsaaten: Weltweit haben die Preise für Grundnahrungsmittel in den vergangenen Monaten dramatisch zugelegt, um 20, 30, mancherorts sogar um 100 Prozent. Besonders betroffen sind Staaten, die Lebensmittel in großem Maßstab einführen, denn sie büßen auch noch für die gestiegenen Treibstoff- und Transportkosten. Was Wohlhabende im Westen kaum spüren, lastet um so drückender auf den Armen.

Jacques Diouf, sonst unauffälliger Generaldirektor der Welternährungsorganisation FAO, warnte vor schweren sozialen Unruhen, die in einzelnen Ländern ausbrechen könnten. Seine in Rom ansässige Organisation führt Buch über den globalen Stand der Landwirtschaft. Die Zahlen sind alarmierend. Noch nie war etwa der Lagerbestand für Weizen weltweit so niedrig, er reicht gerade für zwölf Wochen.

Preise werden weiter steigen

Und es dürfte auch noch länger keine Entwarnung geben. „Unsere Indikatoren deuten darauf hin, dass die Lebensmittelpreise weiter steigen“, sagte ein Sprecher der FAO zur „Presse“.

Es ist ein Bündel von Faktoren, das die Kosten fürs Essen anheizt, wie Timothy Sulser vom International Food Policy Research Institute erläutert. Der US-Forscher nennt den hohe Ölpreis, den Bio-Ethanol-Boom, die gestiegene Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln, veränderte Essgewohnheiten, Bevölkerungswachstum und Missernten.

Experten sind jedoch trotz aller kurzfristigen Warnungen ziemlich sicher, dass sich das System früher oder später wieder einpendeln wird: Bauern werden ihre höheren Einnahmen letztlich investieren, um Produktivitätssteigerungen zu erzielen. Doch bis das Pendel zurückschlägt, kann es noch dauern.

So lange aber können manche Regierungen nicht warten. Es wäre nicht zum ersten Mal in der Geschichte, dass Regime stürzen, wenn der Brotpreis steigt.

Subventionen und Exportstopp

Ägypten, dem am Ende der Ära Mubarak eine unruhige Übergangsphase bevorsteht, hat den Export von Reis verboten und bestehende Lebensmittelsubventionen beträchtlich aufgestockt. Die russische Führung hat schon vor den Parlamentswahlen einen Preisstopp für Brot, Milch, Eier und anderes verhängt und diese Kontrolle nun verlängert, jedenfalls bis nach der Präsidentenwahl am 2. März. Andere Staaten wie etwa Ekuador und Bolivien haben Zölle auf importierte Lebensmittel gekürzt oder sogar aufgehoben.

Auf die eigentümlichste Idee von allen verfiel Boliviens sozialistischer Präsident Evo Morales: Er beauftragte die Armee, Großbäckereien für Arme zu betreiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)

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