Geyer: „Arbeitsmarkt sofort total öffnen“

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VIG-Chef Günter Geyer spricht im Interview mit der "Presse" über seine Osteuropapläne und den Widerstand der Österreicher gegen die Ostöffnung.

Die Presse: Was wünscht sich die österreichische Versicherungs-Branche von der Steuerreform?

Günter Geyer: Wir Versicherer wünschen uns in der Lebensversicherung bei den Einmalerlägen wieder fünf statt zehn Jahre Mindestbindungsfrist. Das sollte zumindest für Ältere gelten und würde dem Finanzminister nicht weniger, sondern mehr Steuereinnahmen bringen. Weiters sollte man die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge auch für die Pflegeversicherung nützen können. Für unsere international tätigen Mitarbeiter hätten wir gerne eine Regelung, die etwa die Voestalpine schon Jahre hat. Für jene Zeiten, in denen die Leute in Osteuropa arbeiten, sollte ein Steuersatz von maximal 25 Prozent gelten. Damit könnte man die Firmenzentralen leichter in Österreich halten.

Durch den Erwerb der S-Versicherung samt Tochtergesellschaften ist die Vienna Insurance Group jetzt die Nummer eins in Osteuropa. Wie geht es dort weiter?

Geyer: Wir haben unser Ziel, in Osteuropa Nummer eins zu werden erreicht und wollen unsere Position dort vor allem auch in Zusammenarbeit mit der Ersten deutlich ausbauen. In Polen, Ungarn und der Ukraine wollen wir sowohl durch Zukäufe als auch organisch kräftig wachsen. In der Türkei gründen wir eine Lebensversicherung, die kann dann auch Produkte nach islamischem Recht anbieten, wenn das der Markt verlangt. In drei bis fünf Jahren wird unser Osteuropageschäft bei den Prämien mehr als 50 Prozent ausmachen. Bei den Erträgen, wo derzeit 37 Prozent aus Osteuropa kommen, wird es in vier bis fünf Jahren soweit sein.

Viele Untersuchungen belegen, dass Österreich stärker als andere Länder von der Ostöffnung profitiert. Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung der Widerstand dagegen. Was ist da schief gelaufen?

Geyer: Für die Ablehnung der Österreicher habe ich sachlich kein Verständnis, emotional schon. Das Positive der EU-Erweiterung wird zu wenig, das Negative hingegen drastisch rübergebracht. Wer redet schon darüber, wie viele Arbeitsplätze wir in Österreich der Ostöffnung verdanken? Allein in unserem Haus sichern die Ostaktivitäten hunderte Arbeitsplätze auch in Wien. Das gehört alles mehr publiziert.

Österreichs Arbeitsmarkt ist für Personen aus den neuen EU-Staaten teilweise noch immer verschlossen. Finden Sie das gerechtfertigt?

Geyer: Wir sollten den Arbeitsmarkt sofort total aufmachen, auch für die unqualifizierten Kräfte. Was wir jetzt tun ist eine Diskriminierung und moralisch nicht vertretbar. Solidarität wird da offenbar sehr eingeschränkt interpretiert.

Ist das eine Kritik an der Gewerkschaft?

Geyer: Ja, durchaus. Die ist zu sehr auf Teilbereiche fixiert. Und die Gefahr, dass uns die ausländischen Arbeitskräfte überschwemmen werden, ist ja nicht realistisch. Es gibt ja bei qualifizierten Kräften sogar einen Mangel.

Die VIG besitzt einen kleinen Anteil an der AUA. Wie soll es nach Ihrer Meinung nach mit der österreichischen Fluglinie weitergehen?

Geyer: Wir haben unter zwei Prozent und sind im Österreich-Syndikat. Die AUA ist ein sehr wichtiges Thema für den Standort Österreich. Es muss in Zukunft keine Stand-alone-Lösung sein, eine Partnerschaft könnte durchaus Sinn machen. Interessenten gibt es ja etliche, etwa aus dem Osten, aus dem arabischen und dem asiatischen Raum. Ich würde auch eine Partnerschaft mit der Lufthansa nicht grundsätzlich ausschließen, vorausgesetzt, man kann den Standort Wien absichern.

Dank der starken Position der VIG in Osteuropa bekunden immer wieder große ausländische Versicherungen Appetit auf Ihr Haus. Können Sie ausschließen, dass die VIG eines Tages übernommen wird?

Geyer: Es haben sehr große internationale Gesellschaften angeklopft, Namen will ich keine nennen. Wir sind aber nicht zu haben. Unsere Hauptaktionärin, die Wr. Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt-Vermögensverwaltung, hat klar festgelegt, dass sie immer die Mehrheit behalten wird. Derzeit hat sie 70 Prozent und hat auch bei der Kapitalerhöhung mitgetan.

Sie kooperieren seit einigen Jahren sehr eng mit der Erste Bank. Eine wechselseitige Beteiligung gibt es aber nicht. Auch um die Erste ranken sich immer wieder Übernahmegerüchte. Wäre es denkbar, dass Sie ihrem Bankpartner in so einem Fall als Weißer Ritter zu Hilfe kommen und sich doch beteiligen?

Geyer: Ich beschäftige mich nicht mit dieser Möglichkeit, weil ich nicht an eine Übernahme der Erste Bank glaube. Wenn es aber doch dazu kommen sollte – woran ich wie gesagt nicht glaube – könnten wir aus der Kooperation mit der Ersten ausstiegen. Das ist vertraglich fixiert und wäre auch für einen Übernehmer ein Problem. Grundsätzlich halten es Mag. Treichl (Anm.: der Chef der Erste Bank) und ich für richtig, dass unsere beiden Gesellschaften kooperieren, ohne dass es eine kapitalmäßige Verflechtung gibt. Aber wenn die Gefahr einer feindlichen Übernahme bestünde, würde man wohl daran denken, dem Partner zu Hilfe zu kommen.

ZUR PERSON

Günter Geyer steht seit dem Jahr 2001 an der Spitze der Wiener Städtischen Versicherung, die sich jetzt VIG (Vienna Insurance Group) nennt. Geyer ist Jahrgang 1943, sein Vertrag als Chef der VIG läuft bis zum Jahr 2011. Eine Vertragsverlängerung ist nicht ausgeschlossen.

2003 fädelte der Chef der damals noch SP-dominierten Wiener Städtischen eine Partnerschaft mit der bürgerlichen Erste Bank ein. Ebenfalls auf das Konto von Geyer geht die starke Ostexpansion der größten heimischen Versicherungsgruppe, die jetzt auch in Osteuropa die Nummer eins ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2008)

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