Wohnen

Für junge Familien ist mieten besser

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Eigentum um jeden Preis, davon rät Erste-Bank-Chef Peter Bosek ab. Vor allem in Wien sei es schwer, Wohnraum zu vernünftigen Preisen zu mieten oder zu kaufen. Die niedrigen Zinsen seien trügerisch.

Wien. Peter Bosek, Chef der Erste Bank, ist besorgt: „Vor allem in Wien ist es für junge Familien sehr schwer, Wohnraum zu vernünftigen Preisen zu mieten oder zu kaufen.“ Das zeigt auch eine repräsentative Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Integral im Auftrag der Erste Bank im Juni 2019 durchgeführt hat.

Drei Viertel der Österreicher glauben, dass Wohnen im Jahr 2030 kaum mehr bezahlbar sein wird. Und neun von zehn Österreichern geben an, dass die Miet- und Immobilienpreise stärker gestiegen sind als ihr Einkommen. Dass ihre Wahrnehmung auch objektiv richtig ist, zeigen Daten der Europäischen Zentralbank: Häuserpreise sind seit 2008 dreimal und Mietpreise bei Neuvermietungen fast doppelt so stark gestiegen wie das Haushaltseinkommen der Österreicher. „Diese Entwicklung ist problematisch. Die Wohnkosten sollten maximal 30 Prozent des Einkommens betragen. Doch heute verschlingt der Faktor Wohnen bei vielen Österreichern deutlich mehr“, sagt Bosek.

Niedrige Zinsen verführen

Hauptgrund dafür ist der Engpass bei Grundstücken, denn die Nachfrage ist aufgrund des starken Zuzugs in die Ballungszentren sehr hoch: „Auch in Simmering zahlen wir mittlerweile 1000 Euro für den Quadratmeter Bauland. Unter 2000 Euro an Baukosten pro Quadratmeter lässt sich heute nicht mehr bauen. Und auch der Bauwirtschaft kann man nicht verdenken, dass sie Gewinne machen will.“ Die Folge: All diese Faktoren machen Wohnen unerschwinglich. Und das, obwohl die Zinsen für Kredite quasi bei null sind.

Dieser Umstand veranlasst viele Österreicher zu glauben, der Kauf einer Immobilie sei jetzt ein absolutes Muss. Eine Wohnung zu mieten sei falsch investiertes Geld. Tatsächlich jedoch sei Vorsicht geboten, sagt Erste-Bank-Vorstand Thomas Schaufler: „Derzeit kostet die Refinanzierung zwar nichts, aber es kann auch wieder anders kommen. Darauf weisen wir unsere Kunden ausdrücklich hin und raten auch zu fix und nicht variabel verzinsten Krediten.“

Und wer sich eine Wohnung für den Eigenbedarf kaufen will, müsse, um bei seiner Bank einen Kredit zu bekommen, genügend Eigenmittel haben, betont Bosek: „Im Idealfall sind das 20 Prozent. Aber es gibt Kunden, in denen ich das Gespräch nicht ohne Körperverletzung überleben würde, wenn ich das sagte.“

Die meisten hätten etwa um die 15 Prozent an Eigenkapital zur Verfügung. Ob die Bank dann einen Kredit gewährt, hänge vom Einzelfall ab, sagt Bosek: „Wir verlangen die Eigenmittel ja nicht zu Fleiß, sondern weil es g'scheit ist. Es gibt Situationen, in denen man Job wechseln muss oder andere Faktoren stressen.“ Der aushaftende Kredit solle dann nicht zusätzlich zur Belastung werden.

Auf die Frage, wozu er denn einer jungen Familie mit zwei Kindern, die eine 100-Quadratmeter-Wohnung brauche, raten würde, sagt Bosek wie aus der Pistole geschossen: „Im Moment würde ich ihnen raten, eine Wohnung zu mieten.“

Denn für eine Wohnung dieser Größe zahle man in Wien schnell einmal 500.000 Euro. „Und da hat die Familie noch keine Einrichtung. Ohne Unterstützung der Eltern kenne ich kaum jemanden, der sich das leisten kann. Damit ist die Schaffung von Eigentum für Jungfamilien aus meiner Sicht derzeit nahezu ausgeschlossen.“

Von einer Blase weit entfernt

Die Sorge der Finanzmarktaufsicht, der Immobilienmarkt könne einer neuen Blase entgegensteuern und Banken würden diese Situation mit allzu leichtfertigen Kreditvergaben ordentlich befeuern, teilt der Erste-Bank-Chef freilich nicht. „Wir haben keine Blase. Aber klar, die Bewertungen der Immobilien sind sehr hoch. Darum agieren wir sorgsam.“

Sein Vorstandskollege Schaufler erinnert sich an die Jahre 2007/08, als in den USA der Immobilienmarkt zusammenbrach. Zuvor hatten Banken Immobilienkredite an 75-jährige Kreditnehmer, die keinerlei Eigenkapital hatten, vergeben, „und das ist in den ersten zehn Jahren tilgungsfrei! Also davon sind wir meilenweit entfernt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2019)

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