Heizen und Autofahren nur gegen CO2-Zertifikate?

Anzengruber plädiert für eine Ausweitung des bestehenden Emissionshandelssystems (ETS) in Europa auf Wärme und Verkehr.
Anzengruber plädiert für eine Ausweitung des bestehenden Emissionshandelssystems (ETS) in Europa auf Wärme und Verkehr. (c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber fordert eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf Wärme und Verkehr. Für den durchschnittlichen Österreicher brächte das Mehrkosten von rund 150 Euro im Jahr.

Fuschl. Wolfgang Anzengruber, der Chef des heimischen Stromkonzerns Verbund, wagte am gestrigen Mittwoch eine steile Prognose: „In einem Jahr wird es in Österreich einen CO2-Preis geben“, sagte er zu Beginn der von seinem Unternehmen ausgerichteten Fachtagung Energy2050 in Fuschl. Die Debatte sei stark aus Deutschland getrieben, Österreich werde sich dem europäischen Trend im Klimaschutz nicht entziehen können.

Dass es tatsächlich eine CO2-Steuer sein müsse, wie sie manche Politiker auch hierzulande fordern, glaubt der Manager nicht. Stattdessen plädiert Anzengruber für eine Ausweitung des bestehenden Emissionshandelssystems (ETS) in Europa auf Wärme und Verkehr. Schon heute sind 45 Prozent der 80 Millionen Tonnen an CO2, die Österreich jährlich ausstößt, über das ETS-System mit einem Preisschild versehen. Das trifft vor allem die Emissionen der Industrie und den innereuropäischen Flugverkehr. 55 Prozent der heimischen Emissionen seien aber noch „gratis“ – die Hälfte davon entfällt auf den Verkehr.

„Klima schützen, Jobs sichern“

Sowohl Verkehr als auch Raumwärme müssten Teil des ETS und mit CO2-Mindestpreisen versehen werden, wenn Europa die Energiewende schaffen wolle. Für einen durchschnittlichen Österreicher wären das bei heutigen CO2-Preisen von knapp 30 Euro eine jährliche Zusatzbelastung von 150 Euro.

Es sei aber ein Fehler, den Kampf gegen den Klimawandel nur als Kostenfaktor zu betrachten, sagte Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun. Österreich müsse die richtigen Technologien entwickeln und verkaufen und damit „das Klima schützen und Jobs sichern“. „Es ist Zeit, über die grüne industrielle Revolution zu sprechen“, pflichtete Anzengruber bei.

Es sei auch Zeit, nach der Energiewende im Stromsektor den Verkehr und die Industrieprozesse zu dekarbonisieren, sagte Timur Gül, Technologiechef der Internationalen Energieagentur. Das Vehikel dafür: Wasserstoff!

Wasserstoff erlebt bereits seinen dritten Frühling als potenzieller Heilsbringer in der Energiebranche. Bisher waren die Bemühungen stets an der fehlenden Wirtschaftlichkeit gescheitert. Doch diesmal sei die Chance so groß wie nie zuvor. Etliche europäische Staaten – darunter Österreich und Deutschland – haben große Fördertöpfe für Wasserstoff in Aussicht gestellt. Das Thema sei „eine Chance für Europa“, betonte Anzengruber. Denn „bei dem Thema hat uns bisher noch niemand überholt“. Die Schattenseite: Heute werden 95 Prozent der 500 Milliarden Tonnen, die jährlich verbraucht werden, noch aus fossilem Gas und fossiler Kohle erzeugt.

Wasserstoff in die Industrie

Die größten Chancen für „grünen“ Wasserstoff rechnet sich die IEA nicht im Individualverkehr, sondern in der Industrie aus. Die Linzer Voestalpine arbeitet etwa seit einem Jahr gemeinsam mit dem Verbund daran, die bisher sehr CO2-intensive Stahlerzeugung mit einer Produktionsweise auf Wasserstoffbasis zu ersetzen. Ende des Jahres wird in der Pilotanlage erstmals Wasserstoff erzeugt. Von einer Wirtschaftlichkeit ist man aber auch in Linz noch sehr seit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2019)

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