Dem Crash folgt die Wirtschaftsflaute

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Die Wirtschaftsforscher haben die Wachstums-prognosen um ein Drittel gekürzt. Mehr Arbeitslose, ein höheres Budgetdefizit, aber weniger Inflation sind die Folgen.

wien(ju). Jetzt greift die Finanzkrise auf die Realwirtschaft über: Die Wirtschaftsforscher haben ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr am Donnerstag um rund ein Drittel, also relativ dramatisch, gestutzt. Wie es aussieht, wird die heimische Wirtschaft im kommenden Jahr real zwar noch wachsen. Aber nur noch um 0,9 Prozent (Wirtschaftsforschungsinstitut) bzw. 1,2 Prozent (Institut für Höhere Studien).

Und das nur, wenn sich die globale Finanzkrise nicht weiter verschlimmert, wie die Chefs der beiden Institute, Bernhard Felderer (IHS) und Karl Aiginger (Wifo), bei der Präsentation ihrer Herbstprognose betonten.

Und wenn es auch in Europa zur gefürchteten (aus heutiger Sicht aber nicht wahrscheinlichen) „Kernschmelze“ des Finanzsystems mit großen Bankenzusammenbrüchen kommt? „Dann brauchen wir überhaupt keine Prognose mehr“, so Felderer.

Aiginger glaubt jedenfalls, dass die von ihm prophezeiten 0,9 Prozent Wachstum eher die Obergrenze des zu Erwartenden darstellen. Der Konjunkturrückgang sei im vergangenen Sommer „so dramatisch“ gewesen, dass „das Abwärtsrisiko höher“ sei.

Differenzen um Konjunkturpaket

Der deutliche Unterschied in den Prognosen der beiden Institute wird von Beobachtern als pikant gesehen: Regierungsmitglieder hatten kürzlich erklärt, dass ein steuerfinanziertes Konjunkturankurbelungspaket fällig werden könnte, wenn die Wachstumsrate unter ein Prozent fällt. Das Wifo, dessen Chef für ein solches „Wachstumspaket, aber kein traditionelles nur für die Bauwirtschaft“ eintritt, liegt mit seiner Prognose knapp darunter, das IHS, dessen Chef ein solches für derzeit nicht vordringlich hält, knapp darüber.

Einig sind sich beide aber, dass der Abschwung relativ wuchtig kommt: Bei der letzten Prognose vor drei Monaten waren die beiden Institute für 2009 noch von 1,4 (Wifo) beziehungsweise 1,9 Prozent (IHS) ausgegangen. Auch heuer läuft die Wirtschaft schon schwächer: Durch den starken Einbruch im Sommer wird das BIP-Wachstum nur noch zwei bis 2,2 Prozent erreichen.

Mehr Arbeitslose, Inflation sinkt

Ein derart kräftiger Abschwung wird sich auf den Arbeitsmarkt unangenehm auswirken: Spätestens im kommenden Jahr wird die Arbeitslosenrate, die seit 2005 sinkt, wieder steigen. Und zwar auf 4,2 bis 4,4 Prozent (nach Eurostat-Definition). Das entspräche einem Anstieg um 0,3 Prozentpunkte. Die Unternehmen werden ihre Investitionen zurückfahren, der private Konsum wird anhaltend schwach bleiben.

Gravierende Folgen hat die Krise für das Budgetdefizit: Das wird anwachsen. Wie weit? Die Wirtschaftsforscher tippen auf ein Prozent des BIP (nach 0,6 Prozent in diesem Jahr). Ganz scheinen sie daran aber nicht zu glauben. Aiginger: „Wir wollten die Regierung schonen und haben ein Prozent hingeschrieben.“

Auf der anderen Seite wird die Wachstumsabschwächung die Inflation einbremsen: Die Teuerung wird von heuer 3,4 Prozent auf 2,2 bis 2,3 Prozent zurückgehen. Auch deshalb, weil die Konjunkturschwäche den Ölpreis unter 100 Dollar je Barrel halten dürfte. Die rückläufige Inflationsrate könnte ausgerechnet im Krisenjahr zu einem Anstieg der Realeinkommen (um 0,7 Prozent) führen.

„Großbank geht nicht pleite“

Optimistisch sind beide Wirtschaftsforscher, was die Bewältigung der Finanzkrise angeht. „Eine große Bank wird nicht in Konkurs gehen, so viel haben die Zentralbanken gelernt“, meint Felderer. Aber ungeschoren kommen die heimischen Institute auch nicht davon: Allein die Lehman-Pleite koste sie acht Prozent des Gewinns, sagt Felderer.

(c) Die Presse / GK

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2008)

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