Wenn Soros zum Klimaschützer wird

Investor George Soros.
Investor George Soros.(c) EPA (Laurent Gillieron)
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Das Big Business beginnt, an CO2-Abkommen zu glauben – eine Chance für Kopenhagen? So erfreulich diese Perspektive für eine Reduktion von CO2 ist, so hat sie doch auch einen Pferdefuß.

KOPENHAGEN. Der Investor George Soros hat bisher einen Bogen um Umweltinvestitionen gemacht. Jetzt aber will er viel Geld für den Klimaschutz lockermachen: „Al Gore hat mich überzeugt, dass das keine Umweltschutzfrage, sondern eine existenzielle Frage ist.“

Vor rund 350 Chefredakteuren aus aller Welt, die der Mediendienst Project Syndicate nach Kopenhagen zu einer „Vorkonferenz“ des Weltklimagipfels im Dezember eingeladen hatte, präsentierte Soros seine Pläne: Seinem neuen Climate Policy Institute, das ab November Politikern und Bürgerbewegungen helfen soll, „die richtigen politischen Entscheidungen“ herbeizuführen, wird Soros jedes Jahr zehn Mio. Dollar (6,7 Mio. Euro) zur Verfügung stellen. Und: Er will bis zu eine Mrd. Dollar in „saubere“ Energie investieren. Das erste Projekt soll ein chemisches Verfahren zur Senkung des CO2-Gehalts bei der Kohleverbrennung sein.

Diese Deklaration des amerikanischen Großinvestors markiert einen wichtigen Trend auf dem Weg zu der Kyoto-Nachfolgekonferenz in Kopenhagen: die mittlerweile voll eingesetzte Umarmung des Klimaschutzes durch das Big Business. So erklärte auch David Sandalow vom US-Energieministerium auf der Project-Syndicate-Konferenz, dass sich in den letzten Monaten Dutzende von führenden Unternehmern beim US-Kongress für eindeutige internationale Klimaschutzregeln ausgesprochen hätten: „Es baut sich Druck auf.“

Wie viel davon Philanthropie und wie viel Geschäftssinn ist, kann von außen niemand sagen. Kühle Investoren und Unternehmenslenker wie Soros & Co. erwarten aber offenbar, dass internationale Klimaschutzbestimmungen in nächster Zeit nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt werden. Und sie haben erkannt, dass diese Bestimmungen große Geschäftschancen für alternative Technologien bieten.

Während sich die „alte Garde“ wie Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan oder der Klimaforscher Nick Stern bei der Project-Syndicate-Konferenz noch ganz in der alten Rhetorik des „Es ist fünf vor zwölf, wir müssen was tun, auch wenn es teuer ist“ bewegte, so überwog bei anderen der Ruf: „Reden wir doch einmal über die tollen Chancen!“ So etwa Sandalow: „Einer der zentralen Auswege aus der Weltwirtschaftskrise ist, in eine CO2-arme Energie zu investieren.“ Oder Joschka Fischer, der deutsche Ex-Außenminister: „Länder, die sich in Zukunft nicht an ein CO2-Regime halten, bestrafen sich selbst am meisten.“ Ihre Wirtschaft könnte etwa durch neue Handelsbarrieren ins Hintertreffen kommen. Es ist daher nur logisch (und auch kein Einzelfall), dass ein Großinvestor wie Soros kein Risiko eingehen und daher durch Lobbying absichern will, dass die Geschäftsgrundlage seiner neuen Investitionen auch wirklich kommt.

Wenn amerikanisches Big Business, bisher immer als Bremser verdächtigt, nun zum Treiber für globale CO2-Beschränkungen wird, rückt ein Abkommen in Kopenhagen in greifbare Nähe. Der Knackpunkt ist ja, ob Amerika bereit sein wird, Reduktionsverpflichtungen einzugehen, auch wenn etwa China oder Indien dies nicht tun.

Druck auf Klimadissidenten

Aber auch diese Schwellenländer sehen die Klimafrage zunehmend unter dem Aspekt möglicher Gewinne. So bekräftigte Indiens Umweltminister Jairam Ramesh in Kopenhagen, dass sein Land sich zwar nicht zu CO2-Zielen verpflichten, aber an größerer Energieeffizienz arbeiten werde. Und eine Einigung sei in Kopenhagen in drei Punkten sofort möglich: erstens bei der Etablierung eines Fonds der Industrieländer, der für arme Länder ab 2015 jährlich 15 bis 20 Mrd. Dollar für die Anpassung an den Klimawandel bereitstellt, zweitens bei der Honorierung von Aufforstung als Klimaschutzmaßnahme, und drittens bei der Schaffung eines Technologietransferabkommens zugunsten armer Länder.

Big Business also auch hier: die Aussicht, dass Norden und Süden sich im Dezember auf Leitlinien einigen können, die Reduktions- und Zahlungsverpflichtungen für die reichen Länder vorsehen – und für die armen Modernisierungsverpflichtungen (bzw. -chancen) und die Möglichkeit, für Umweltschonung Geld zu bekommen.

So erfreulich diese Perspektive für eine Reduktion von CO2 ist, so hat sie doch auch einen Pferdefuß: Sie wird die jetzt schon oft quasireligiöse Enge der Klimaschutzlobby noch verstärken, für die jeder, der beiseitesteht, ein Sünder ist und jeder, der die Festigkeit ihrer wissenschaftlichen Basis anzweifelt, ein Ketzer. Sollte nämlich die Erwärmung von selbst nicht so gravierend werden wie derzeit unterstellt oder sich der Einfluss des CO2als überschätzt erweisen, dann wäre ja die Umstellung der Wirtschaft insgesamt eine Ressourcenvergeudung – und der Anspruch der Entwicklungsländer, als Opfer des vom Norden verursachten Klimawandels entschädigt zu werden, durchlöchert. „Dissidenten“, die diesen Teufel an die Wand malen, werden noch stärker unter Druck gesetzt werden, was aber weder der wissenschaftlichen Diskussion noch der Suche nach den besten Lösungen guttut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2009)

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