Thomas Piketty hat mit seinem Bestseller von 2013 viele Politiker inspiriert. Schafft er das auch mit der Fortsetzung?
„Capital et idéologie“

Piketty reitet wieder gegen die Reichen

In seinem neuen Buch „Capital et idéologie“ fordert der aktuell einflussreichste aller Ökonomen die Enteignung der Milliardäre. Was taugt der sichere Bestseller?

Wien. Das muss diesem Thomas Piketty erst einmal jemand nachmachen: zweieinhalb Millionen Exemplare verkaufen, von einem sperrigen, monumentalen Traktat voller Zahlen und Statistiken. Seit 2013 ziert „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ in 40 Sprachen die Bücherregale der bildungsbürgerlichen Linken. Wobei viele nicht weit über den Kaufakt hinausgekommen sind. Beim E-Book-Reader Kindle haben sie ermittelt: Im Schnitt brachen die Leser auf Seite 26 ab. Das macht einer der meistgekauften Bücher zugleich zu einem der am wenigsten gelesenen. Was soll's, jetzt gibt es Nachschlag: Piketty hat für seine Froh- und Drohbotschaft eine Fortsetzung geschrieben, wieder über 1000 Seiten lang. Vor einer Woche ist „Capital et idéologie“ im Original erschienen, die deutsche Ausgabe folgt im März.

Der Servicetipp für Superreiche vorweg: Verlassen Sie diesen Planeten! (Vielleicht hat Elon Musk es schon geahnt und investiert deshalb so viel in private Weltraumfahrt.) Piketty will Milliardäre zu 90 Prozent enteignen, weltweit, in einer koordinierten Aktion. Es darf künftig keine mehr geben. Er sagt nun auch offen, dass wir den Kapitalismus „überwinden“ müssen. Das Vermögen sei in großem Stil umzuverteilen. Jeder 25-Jährige in Industriestaaten soll 120.000 Euro „erben“. Besitz gibt es in dieser sehr konkreten Utopie nur noch begrenzt oder temporär, in den Unternehmen haben die Mitarbeiter so viel zu sagen wie die Manager. Über Anpassungsprobleme wie einen Zusammenbruch der Immobilien- und Aktienmärkte zerbricht sich der Visionär nicht den Kopf. Es gilt, den Weg zu weisen – und dies zu begründen.

Sozialgeschichte statt VWL

Dazu nimmt der Autor den Hut des Ökonomen ab und setzt den des Sozialhistorikers auf. Vielleicht hat ihn ja der Dauerbeschuss seiner ikonischen Formel r>g zermürbt. Jedenfalls reitet er nicht mehr darauf rum, dass die Kapitalrendite immer höher sei als das Wirtschaftswachstum, besitzen sich also mehr lohne als arbeiten – was zwangsläufig zur Revolution führt, wenn der Fiskus nicht einschreitet. Stattdessen will er nun jede Rechtfertigung für Ungleichheit als Ideologie entlarven – in allen Kulturen. Das macht den historischen Teil der Untersuchung zur lehrreichen Welt- und Zeitreise.

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