Prognose

Deutschland schrumpft sich (noch) gesund

Die Produktion in der deutschen Autoindustrie ist seit Mitte 2018 um 20 Prozent gesunken. Der Idee einer neuerlichen Abwrackprämie erteilen Ökonomen aber eine Absage.
Die Produktion in der deutschen Autoindustrie ist seit Mitte 2018 um 20 Prozent gesunken. Der Idee einer neuerlichen Abwrackprämie erteilen Ökonomen aber eine Absage.APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Die Industrie ist laut deutschen Ökonomen in einer Rezession. Noch wird Überauslastung abgebaut, ein Konjunkturpaket käme zu früh. Dogma dürfe die „schwarze Null“ nicht sein.

Wien. Es sind keine schönen Nachrichten, die von den führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten am Mittwoch anlässlich ihrer Herbstprognose in Berlin präsentiert wurden. So befindet sich die Industrie – immerhin das wirtschaftliche Rückgrat von Europas größter Volkswirtschaft – nach Ansicht von DIW, ifo, IWH, RWI und IfW bereits in einer Rezession. Die Produktion sei bereits „seit Mitte letzten Jahres rückläufig“, heißt es in ihrem 88 Seiten umfassenden Gutachten, das für die deutsche Regierung in Berlin Grundlage ihrer kommenden wirtschaftspolitischen Schritte ist.

Und diese Abschwächung der industriellen Produktion wirke sich zunehmend auch auf unternehmensnahe Dienstleister aus. Soll heißen: Die Schwäche der deutschen Wirtschaft zieht immer größere Kreise und erfasst immer mehr Branchen. In nackten Zahlen ausgedrückt sieht das Bild dann folgendermaßen aus: Die deutsche Wirtschaft wird laut der nun vorliegenden Prognose heuer nur mehr um 0,5 Prozent wachsen. Um 0,3 Prozentpunkte geringer, als noch im Frühjahr angenommen wurde. Kommendes Jahr soll sich das Bild wieder bessern, mit einem Plus von 1,1 Prozent ist aber auch die Vorschau auf 2020 alles andere als euphorisch.

Dennoch sehen die Ökonomen bislang noch keinen Grund für Panik. Denn das Schrumpfen sei durchaus Teil einer gesunden Normalisierung. So heißt es in der Prognose, dass es sich bisher im Wesentlichen um eine Zurückbildung der in der vorangegangenen Hochkonjunktur entstandenen Überauslastung der Produktionskapazitäten handle. „Die ist für sich genommen eine stabilitätsgerechte Entwicklung“, heißt es wörtlich. Eine zu lange Boomphase beinhalte nämlich die Gefahr, dass Ressourcen fehlgelenkt werden. Die Folge wäre ein noch kräftigerer Kater nach der Party.

Absage an Abwrackprämie

Dem könnte die aktuelle, zwar spürbare aber nicht übertriebene Zeit der wirtschaftlichen Ausnüchterung entgegenwirken. „Gesamtwirtschaftlich ist eine Überauslastung ebenso unerwünscht wie eine Unterauslastung“, so die Ökonomen.

Daher formulierten die Wirtschaftsforscher am Mittwoch auch eine deutliche Absage an etwaige Konjunkturprogramme. Vor allem dann, wenn es sich dabei um Maßnahmen wie eine staatliche Prämie für das Verschrotten älterer Autos handle. Eine solche „Abwrackprämie“ wurde 2009 als Teil des damaligen Konjunkturpakets eingeführt und verursachte Kosten von insgesamt fünf Mrd. Euro.

Angesichts der Diskussion um Dieselfahrzeuge und der aktuellen Probleme der deutschen Autoindustrie, die vor allem unter dem zunehmenden internationalen Protektionismus leidet, wurden zuletzt Stimmen für eine ähnliche Prämie laut. Bei Ölheizungen ist eine solche Abwrackprämie im Rahmen ihrer Klimaschutzmaßnahmen sogar bereits von der Regierung geplant. Zumindest was die Autos betrifft, kommt von den Ökonomen eine deutliche Absage: „Güter zu vernichten, um Nachfrage für ihre Reproduktion zu schüren, stellt den Zweck des wirtschaftlichen Handelns auf den Kopf und ist daher keine sinnvolle Option der Wirtschaftspolitik“, heißt es. Daran ändere auch nichts, dass die Produktion in der deutschen Autoindustrie seit Mitte 2018 um über 20 Prozent eingebrochen ist, wie es an anderer Stelle in dem Gutachten heißt.

Sparen auch im Abschwung?

Und auch staatlichen Bauprogrammen – etwa im Bereich der Infrastruktur – erteilen die Ökonomen eine Absage. Grund dafür ist, dass die Bauwirtschaft in Deutschland nach wie vor boomt. Zusätzliche Maßnahmen von staatlicher Seite würden hier nur den Preisauftrieb weiter anheizen.

Gleichzeitig erklären die Wirtschaftsforscher aber auch, dass die „schwarze Null“ im Staatshaushalt kein Dogma sein dürfe. Vor allem dann nicht, wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtere. Man dürfe „dem Abschwung nicht hinterhersparen“, so Claus Michelsen vom DIW. Von der damit angesprochenen deutschen Bundesregierung wird der Hinweis eher verhalten aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte bereits vor einigen Tagen, dass man weiter zur schwarzen Null stehen werde. Für Wirtschaftsminister Peter Altmaier kommt die Debatte schlicht „zur falschen Zeit.“

Die österreichische Herbstprognose wird am Freitag präsentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2019)

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