Abkommen

USA und China: Fünf Minuten falscher Frieden

US-Präsident Trump gönnt der Welt eine kurze Verschnaufpause vom Handelskrieg – und sich selbst eine Ablenkung von innenpolitischen Turbulenzen.
US-Präsident Trump gönnt der Welt eine kurze Verschnaufpause vom Handelskrieg – und sich selbst eine Ablenkung von innenpolitischen Turbulenzen. (c) REUTERS (Yuri Gripas)
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Die USA und China einigen sich auf einen ersten dünnen Deal im Handelskrieg. Was Donald Trump als Erfolg für die Welt verkauft, macht selbst in Amerika niemanden so richtig glücklich.

Donald, der große Dealmaker, ist wieder da! Schlagzeilen wie diese hatte US-Präsident Donald Trump wohl vor Augen, als er in der Nacht auf Samstag seine überraschende Wende im Handelskrieg mit China verkündet hat. Nach Monaten der Eskalation einigten sich die beiden weltgrößten Volkswirtschaften auf ein erstes Abkommen. Dies sei „Phase eins“ eines umfassenderen Deals, frohlockte Trump beim Treffen mit dem chinesischen Vizepremier und Chefunterhändler, Liu He.

Kein Wort davon, dass für Amerika nur ein „großer Deal“ mit China zähle, wie der Republikaner Montag im Weißen Haus noch erklärt hatte. Vier Tage später hieß es vom innenpolitisch angeschlagenen Präsidenten: „Ich denke, dass es besser ist, es in Abschnitten und Phasen zu machen, weil es so ein großer Deal ist und so viel umfasst.“

So bleibt der Welt zumindest die nächste Eskalationsstufe im Handelsstreit erspart. Ursprünglich wollten die USA am kommenden Dienstag die Strafzölle auf chinesische Importe im Wert von 250 Milliarden US-Dollar (226 Mrd. Euro) von 25 auf 30 Prozent anheben. Davon werde Washington angesichts der jüngsten Entwicklungen absehen, sagte Finanzminister Steve Mnuchin. Alle bisher geltenden Strafzölle blieben jedoch weiterhin in Kraft.

Für Unternehmen und Anleger sind das zumindest keine schlechten Nachrichten. Aber was ist Trumps Abkommen mit China wirklich wert?

Ein paar Sojabohnen mehr. Auf den ersten Blick gibt es nur wenig, was lautes Triumphgeheul rechtfertigen würde. Am konkretesten ist noch die Zusage Pekings, amerikanischen Landwirten Sojabohnen und Schweinefleisch im Wert von bis zu 50 Milliarden Dollar abzunehmen. Nüchtern betrachtet verbessert sich dadurch für die US-Farmer aber nur wenig. Bis Donald Trump den Handelskrieg vom Zaun gebrochen hatte, war China für sie ein großer, stark wachsender Markt. Erst als Konter auf Trumps Strafzölle fuhr Peking die Agrarimporte aus den USA zurück. Länder wie Brasilien übernahmen das China-Geschäft der US-Konkurrenz nahtlos. Washington musste 28 Milliarden Dollar an Subventionen an die heimischen Landwirte auszahlen, um die Folgen der amerikanischen Handelspolitik abzufedern.

Viel mehr als Schadensbegrenzung ist Donald Trump also in diesem Kapitel nicht geglückt. Zumal Peking stets von sich aus angeboten hatte, die Agrarimporte wieder zu erhöhen, um die Spannungen zwischen den beiden Ländern abzubauen.

Hardliner verlieren. Ansonsten bleibt die Einigung in fast allen relevanten Punkten äußerst vage. So sprach Trump zwar von einer Annäherung beim Thema Schutz des geistigen Eigentums, wollte oder konnte aber keine Details nennen. Im drohenden Währungsstreit zwischen den beiden Ländern bahnt sich zumindest eine Abrüstung der Worte an. Die USA stellten in Aussicht, China nicht länger als Währungsmanipulator brandmarken zu wollen, wenn sie im Gegenzug mehr Einblick in die Währungspolitik der Volksrepublik erhalten.

In Summe erinnern die Konturen des Abkommens stark an die Kompromisse, die Finanzminister Steve Mnuchin und Handelsminister Wilbur Ross ihrem Präsidenten in den vergangenen beiden Jahren regelmäßig auf den Tisch gelegt haben. Für Trump reichte es bis heute nie.

Die wirklich großen Streitpunkte im Konflikt bleiben hingegen ungeklärt: Das amerikanische Handelsdefizit gegenüber China wird Trump mit ein paar verkauften Sojabohnen und Schweinehälften mehr nicht umdrehen können. Keinerlei Zugeständnisse machte Peking auch bei den umstrittenen Subventionen für eigene Staatsunternehmen, beim erzwungenen Technologietransfer für Joint-Venture-Partner aus dem Westen und bei der generellen Öffnung der chinesischen Märkte für ausländische Unternehmen.

Auch europäische Betriebe haben in diesen Bereichen die Kritikpunkte der Amerikaner geteilt – und gewisse Hoffnungen in Trumps Handelsstreit mit China gelegt. Der US-Ökonom und Trump-Berater Peter Navarro setzte sich bis zuletzt dafür ein, das Drohpotenzial der Strafzölle auszunutzen, um die Volksrepublik zu einer grundlegenden Änderung ihres Wirtschaftsmodells zu zwingen. Doch eine Abkehr Pekings vom gelenkten Staatskapitalismus ist nicht in Sicht.

China gibt wenig in diesem Deal mit den USA – und es bekommt auch wenig. Im Streit um den chinesischen Technologieriesen Huawei gibt es keine Fortschritte. Der Netzwerkausrüster bleibt weiterhin auf Amerikas schwarzer Liste und darf deshalb nicht mit Material aus den Vereinigten Staaten beliefert werden. Viel mehr als eine ausgesetzte Runde Strafzollerhöhungen war für China nicht zu holen. Schon die für Dezember angesetzte Verschärfung der Zölle könnte wieder umgesetzt werden. Entsprechend emotionslos kommentierte Peking die Vereinbarung. Man sehe „substanzielle Fortschritte“, vor allem atmosphärisch. Von einer Einigung im Handelsstreit sei aber keine Rede.

Derartige Bescheidenheit ist Donald Trump fremd: „Es gab viele Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China, und jetzt ist es ein Liebesfest“, sagte er. „Das Abkommen dient dem Weltfrieden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2019)

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