It‘s the customer, stupid!

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Ein Gespräch mit Heinrich Welter, Chef der DACH-Region von Genesys, über illoyale Kunden, Ressourcenmanagement und KI. Genesys entwickelt Customer Journey-Plattformen.

Herr Welter, seit einiger Zeit ist Customer Journey in aller Munde. Warum interessiert das mittlerweile die Unternehmen so sehr?

Das hat mit der Durchdringung der Digitalisierung zu tun. Heute ist es viel einfacher, Produkte und Kundenerfahrungen zu vergleichen. Gleichzeitig sinkt die Loyalität zu einem Anbieter. Noch nie war die Wechselbereitschaft von Kunden so hoch. Der Kunde beginnt vielfach nicht auf der Website eines Anbieters; sondern auf einem Vergleichsportal. Er kommt also erst relativ spät im Entscheidungszyklus auf die Seite des Unternehmens. Dann kommt der Moment der Wahrheit. Dann muss das Unternehmen auf Zack sein und eine tolle Customer Experience bieten. Das Unternehmen hat den richtigen Moment abzupassen, um den Kunden vernünftig bedienen zu können, um Neukunden zu gewinnen oder bestehende nicht zu verlieren.

Wie kann eine Customer Journey-Plattform dabei helfen?

Eine Plattform wie die von Genesys ist eine Omni-Kanal-Plattform; das bedeutet nicht nur über jeden verfügbaren Kanal kommunizieren zu können, also beispielsweise, Telefon, E-Mail und Chat, sondern alle Kontaktpunkte zu orchestrieren. Ein Mitarbeiter, der mit einem Kunden telefoniert, sieht, ob dieser auch gerade auf der Website angemeldet ist und hat so den Blick über alle Kanäle. Der Mitarbeiter kann auch über mehrere Kanäle gleichzeitig mit dem Kunden kommunizieren. Beispielsweise kann – wenn es darum geht, ein Formular online auszufüllen – der Mitarbeiter dem Kunden Co-Browsing anbieten und sich direkt online mit ihm zusätzlich zum Telefon verbinden. Es geht ja darum, dass der Kunde ein möglichst gutes Service und Einkaufserlebnis bekommt, und zwar egal auf welchem Kanal er das Unternehmen kontaktiert. Mit der Plattform ist der Mitarbeiter auch im Bild, welche vorhergehenden Interaktionen stattgefunden haben, ob beispielsweise zwischendurch Briefe oder E-Mails geschickt worden sind oder der Kunde in einer Filiale war.

Was kann das Unternehmen mit diesen Informationen konkret anfangen?

Die Idee ist, den Kunden mit einem kompetenten Mitarbeiter zu verbinden oder mit einer Lösung, die er in dem Moment benötigt. Das muss nicht immer ein Mitarbeiter sein, heute gibt es Künstliche Intelligenz, Chatbots oder ähnliches. Wir nennen das Skill Based Routing. Die Plattform sucht in Echtzeit die am besten geeignete Ressource heraus, die der Kunde gerade benötigt. Wenn ein Kunde beispielsweise wegen einer zu hohen Rechnung das Unternehmen kontaktiert, dann will er nicht mit dem nächstbesten Agenten kommunizieren, der dann sagt, mit Rechnungen kenne ich mich nicht aus, sondern er will mit einem Mitarbeiter über die Rechnung reden.

Das ist aber sicher nicht immer möglich. Was, wenn kein passender Agent verfügbar ist?

Dann wird das offen kommuniziert und ein Rückruf angeboten. Das kommt bei den Kunden immer noch besser an als hingehalten zu werden. Und das Unternehmen erspart sich damit auch Geld. Denn vielfach werden Agenten dafür bezahlt, dass sie Anfragen entgegennehmen, die sie aber nicht bearbeiten können. So bezahlt das Unternehmen dafür, dass der Kunde eigentlich unzufrieden ist. Die Plattform sorgt dafür, dass das Unternehmen die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einsetzt. So können Dinge priorisiert werden. Damit verbessert sich die Organisation, weil zielgerichteter gearbeitet wird. Es gibt auch noch weitere Möglichkeiten, die Plattform zu nutzen, beispielsweise  indem Interaktionen vorausgesehen werden.

Können Sie  ein Beispiel nennen?

Ein simples Beispiel ist eine Fluglinie, bei der ein Flug gestrichen wird. Der Kunde wird sofort anrufen. Normalerweise beginnt das Gespräch mit „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“. Die Plattform kann den Kunden jedoch an der Telefonnummer identifizieren. Das weiß der Agent, entschuldigt sich sofort, dass der Flug gestrichen wurde und bucht um. Besseres Service also.

Ab welcher Unternehmensgröße ergibt so eine Plattformlösung Sinn?

Wir haben drei unterschiedliche Lösungen. Es gibt eine reine Cloud basierte Lösung, Pure Cloud, die bei zehn Mitarbeitern anfängt. Das ist eine rein webbasierte Lösung, mit der der Kunde in der Lage ist, kleine Contact Center auszustatten. Dann gibt es eine Mid Market Lösung und dden Commercial market. Das sind Lösungen, die vor Ort beim Kunden installiert und auf den individuellen Bedarf konfiguriert werden.

Wie stark sind diese Plattformen schon im Einsatz, generell und in Österreich, und bei welchen Branchen?

In Deutschland haben wir einen Marktanteil von 60 Prozent und alle großen Kunden, wie Telekom, Vodafone, Telefonica, Deutsche Bank, Commerzbank, Versicherungen wie Ergo, Hukk etc. In Österreich ist der Markt konservativer. Da haben wir ein paar große Unternehmen wie die BAWAG oder A1 Telekom, aber noch nicht die breite Markdurchdringung. In Deutschland kam der relevante Schub allerdings auch erst vor rund zwei Jahren. Es fängt an, wenn die Kunden intensiver Apps und Web nutzen und Telefonie nicht mehr der beste Kanal ist, um das Unternehmen zu kontaktieren. Von den Branchen her waren es zu Beginn die klassischen Contact-Center von Versicherern, Banken, Telekomgesellschaften und Carrier. Jetzt ziehen die Konsumgüterproduzenten nach, weil auch hier die Kommunikationskanäle mehr werden.

Was sind die Trends der Zukunft?

Künstliche Intelligenz wird immer stärker zum Einsatz kommen, Automatisierung und Individualisierung werden voranschreiten. Heute stellen Unternehmen Produkte her und vermarkten sie dann. In Zukunft wird zuerst vermarktet und dann das für den Kunden individuelle Produkt dazu hergestellt. Was wir auch definitiv sehen, ist, dass ein Bot vom Konsumenten genutzt werden wird, nicht nur vom Unternehmen. Der Kunde gibt beispielsweise seinem Bot den Auftrag für seine Urlaubsbuchung und der Bot kommuniziert dann mit den Reisebots und sucht so das beste Angebot.

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