Die größte Hackerattacke in der Geschichte von Facebook dürfte 50 Millionen Nutzer getroffen haben. Politiker fordern die Zerschlagung des Netzwerks. Der Vorschlag ist populär, aber umstritten.
Wien. Bei Facebook will keine Ruhe einkehren. Vor einem halben Jahr flog der Datenskandal rund um die illegale Weitergabe von Nutzerdaten an die britische Analysefirma Cambridge Analytica auf. Jetzt hat der Internetgigant den nächsten Skandal am Hals: Bei einer riesigen Hackerattacke wurden Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen. Wegen einer Sicherheitslücke im Zusammenhang mit der Funktion, mit der Nutzer ihr Profil aus der Sicht von anderen betrachten können, ist es den Angreifern gelungen, Profilinformationen wie Name, Geschlecht und Wohnort abzurufen, wie Facebook am Freitagabend mitgeteilt hat.
Es sei bisher nicht bekannt, wer hinter dem Angriff stecke und was die Hacker mit den Daten gemacht hätten. Die Angreifer stahlen digitale Schlüssel zu den Accounts der Nutzer. Mit diesen konnten sie sich auch bei anderen Onlinediensten anmelden, die mit dem Facebook-Log-in genützt werden. Ob das passiert sei, sei noch nicht geklärt. Die Sicherheitslücke sei jedenfalls am Dienstag entdeckt und am Donnerstag geschlossen worden, hieß es vom Unternehmen. Es handelt sich, gemessen an der Zahl der betroffenen Nutzer, um den bisher größten bekannt gewordenen Angriff auf Facebook.
Datenpannen und -skandale dieser Dimension werfen die Frage auf, wie sich die Macht von Facebook begrenzen lässt. Am Wochenende wurden Rufe nach der Zerschlagung von Facebook laut. Manfred Weber, Fraktionschef der Konservativen im Europaparlament, der 2019 als EU-Kommissionspräsident kandidieren wird, fordert im „Spiegel“: Die EU-Kommission solle prüfen, ob Facebook nach der Übernahme von WhatsApp und Instagram „eine marktbeherrschende Stellung besitzt“. Im Extremfall sei eine „Entflechtung“ denkbar. Zuspruch kommt aus der SPD: Eine Entflechtung von Facebook und anderen Internetkonzernen liege für die SPD absolut „im Bereich des Möglichen“, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, zum „Handelsblatt“.
Ist Facebook ein echtes Monopol?
Diese Forderung ist nicht neu und seit der Affäre um Cambridge Analytica vermehrt zu hören. Aber Experten stehen einer „Zerschlagung“ oder „Entflechtung“ des Onlinegiganten kritisch gegenüber. Die Frage, ob die modernen Internetgiganten Monopole im herkömmlichen Sinn sind, ist umstritten. Denn Facebook, Google und Co. generieren ihre Gewinne und Umsätze zwar mit Werbung, sie sind in dem Bereich aber nicht marktbeherrschend.
So argumentiert auch Facebook-Gründer-Chef Mark Zuckerberg. Als Folge der Affäre um Cambridge Analytica, als 2016 Daten von mindestens 87 Millionen Facebook-Nutzern ohne deren Wissen an die britische Analysefirma gespielt wurden, musste er den Abgeordneten zum EU-Parlament Rede und Antwort stehen. Sein Unternehmen kontrolliere nur sechs Prozent des weltweiten Werbemarkts. Außerdem helfe Facebook kleinen Betrieben, Marketingwerkzeuge zu nutzen, die früher großen vorbehalten waren, und sei daher gut für den Wettbewerb, so Zuckerberg.
Wenig Sinn, zur Konkurrenz zu gehen
Facebook kontrolliert weltweit 86Prozent des Markts für soziale Netzwerke. Den Internetgiganten nützt der sogenannte Netzwerkeffekt: Je mehr Menschen auf Facebook unterwegs sind, desto weniger Sinn hat es für die Nutzer, zu einem Konkurrenten zu wechseln. Viktor Mayer-Schönberger, Experte für Internetregulierung, hält es für wenig sinnvoll, „die Datenkraken“ zu zerschlagen: „Nach zehn Jahren hat man das Problem wieder, das ist wie eine vielköpfige Schlange, der man den Kopf abschlägt, und dann wächst er wieder nach“, sagte er im April in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.
Er fordert stattdessen eine „Datenteilungspflicht“: Die großen Internetkonzerne, deren Kapital die Nutzerdaten sind, müssten gezwungen werden, diese Daten anonymisiert mit anderen zu teilen. Dann würden sie ihre strukturelle Vormachtstellung verlieren.
Nach bisherigen Erkenntnissen seien im aktuellen Fall um gehackte Daten keine privaten Nachrichten gelesen worden, hieß es vonseiten Facebooks. Was mit den Daten geschehen ist, wird man irgendwann oder nie erfahren. Die Aktie verlor am Freitag um bis zu 3,5 Prozent. Wie groß der Vertrauensverlust unter den mehr als zwei Milliarden Nutzern ist, wird sich erst zeigen.
AUF EINEN BLICK
Wegen einerSicherheitslücke konnten Hacker auf Profile von Facebook-Nutzern zugreifen, als wären es ihre eigenen. Die Angreifer hätten Daten wie Name, Geschlecht und Wohnort abgeschöpft, teilte das US-Unternehmen mit.
Zugang bei Dritten? Die Hacker konnten sich mit den digitalen Zugängen auch bei anderen Onlinediensten anmelden, die mit Facebook-Zugangsdaten genutzt werden. Ob das passiert sei, sei noch unklar. Facebook hat mehr als zwei Milliarden aktive Nutzer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2018)