Burschenschaften: Kampf der Korporierten um das "Dritte Lager"

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Eine wissenschaftliche Aufarbeitung zeigt das Innenleben der Freiheitlichen Partei. Das Spannungsverhältnis zwischen Hütern der "reinen Lehre" und politisch flexibleren Pragmatikern.

Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen – und in dieser Position finden sich die deutschnationalen Österreicher gerade heute wieder – wurde einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung von jeher wenig Bedeutung beigemessen.“ Der das 1975 schrieb, stand gerade am Beginn einer erstaunlichen politischen Karriere. Ein paar Jahre hindurch zählte er zu den Schlüsselspielern der österreichischen Innenpolitik. Doch der verwirrende Zickzack-Kurs des von ihm protegierten Jörg Haider frustrierte ihn. Er zog sich politisch gänzlich zurück und wirkt heute als wohlbestallter Advokat in der Wiener City: Norbert Gugerbauer.

Der Beitrag des Oberösterreichers Gugerbauer 1975 für seine Burschenschaft der „Oberösterreicher Germanen in Wien“ enthält all jene Merkmale, die schlagende Korporationen heute kennzeichnet: das Selbstverständnis als „Außenposten des deutschen Kulturkreises“, die Selbsteinschätzung, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, aber auch die Versicherung, für ein hehres Ziel im Kampfe zu stehen.

Bernhard Weidinger hat sich der Mühe unterzogen, die Gesellschaftspolitik der akademischen Burschenschaften in Österreich seit 1945 wissenschaftlich darzustellen, und da kann ein stetiger Querbezug zur Freiheitlichen Partei nicht fehlen. So wie der Ball des Wiener Korporationsringes WKR vor zwei Jahren von der FPÖ übernommen wurde, so prägen die Burschenschaften in der Zweiten Republik das Innenleben der FPÖ. Weidinger ist zu danken, dass er sich strikt jeglicher Wertung enthält, sondern sich die Lehre Heinrich Drimmels zu eigen macht, der – ebenfalls 1975 – schrieb: „Man kann die Geschichte des Politischen in Österreich nicht richtig verstehen, wenn man nicht einen sehr gründlichen Einblick in die Geschichte des Studententums, namentlich des Korporationswesens hat.“ Drimmel, der große vielfach unterschätzte ÖVP-Intellektuelle, war natürlich Cartellbruder.

Diese Einschätzung bezieht sich freilich auf die Zeit von der Gründung des VdU 1949, des Übergangs in die FPÖ 1955 bis zur Übernahme durch Jörg Haider 1986. Dann schlug das sogenannte „Dritte Lager“ einen anderen, rechtspopulistischen Kurs ein, der von Heinz-Christian Strache beibehalten wurde und wird.

Die Geschichte der Korporationen zeigt anschaulich, wie sich Politiker des national-freiheitlichen Lagers bemühten, eine pragmatischere Linie durchzusetzen, um regierungsfähig zu werden. Diesem Ziel hatten die Parteiobmänner Friedrich Peter und Norbert Steger alles untergeordnet – Steger hatte es von 1983 bis 1986 erreicht.

Kurz zuvor noch hatten sich die Burschenschafter durchgesetzt – mit der Kandidatur Norbert Burgers 1980 für die Bundespräsidentschaft. Der Südtirol-Aktivist und frühere NDP-Bundessprecher konnte sich auf eine Wahlbewegung stützen, die von den Korporierten getragen wurde. Vergleichbar damit war nur die Bewerbung Andreas Mölzers 2004 für ein Europaparlaments-Mandat, das er in direkter Konfrontation mit der FPÖ mittels Vorzugsstimmen-Kampagne errang.

Gerade Gugerbauer war es, der schon in den Siebzigerjahren seine Bundesbrüder darauf hinwies, dass „auch ein auf seine Prinzipientreue pochendes Gemeinwesen bisweilen der Kompromissfähigkeit bedarf, um nicht handlungsunfähig zu werden“.

Vieles, was seinerzeit für heftige Kontroversen zwischen den österreichischen und bundesdeutschen Burschenschaften gesorgt hat, ist von der Entwicklung der Gegebenheiten einfach überholt worden, etwa das Bekenntnis zu einer einzigen deutschen Nation, dem allerdings die konkrete Definition fehlte (und fehlt), was man darunter versteht. Der Kampf um Südtirol ist mit einem Kompromiss zu Ende gegangen, mit dem alle halbwegs leben können. So ist Weidingers Text ein sehr gründliches Werk, das Beachtung verdient. Unter Historikern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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