Als Iulius Caesar am Fuße des Rubikon mit dem Würfel warf

Caesar beim Übertreten des Rubikon. Gravur von 1816.
Caesar beim Übertreten des Rubikon. Gravur von 1816. (c) imago/Leemage
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Die Überquerung eines kleinen Flusses machte Gaius Iulius Caesar zum Staatsfeind und stürzte das Römische Reich vor 2068 Jahren in einen blutigen Bürgerkrieg. Heute streiten sich drei Städte darum, wo der Rubikon überschritten wurde.

"Alea iacta est." Der Würfel ist geworfen worden. Ein Satz, der Gaius Iulius Caesar zugeschrieben wird. Der von dem Feldherren in seinem Original aber nicht in lateinischen, sondern in griechischen Worten gesprochen worden sein soll - und damit lautete: "Anerriphto kybos." Zu Deutsch: "Der Würfel soll geworfen werden." (Von mehreren gefallenen Würfeln war nie die Rede.) Eine Ungenauigkeit, die bis heute als Auslöser durchaus hitziger Diskussionen zwischen Sprach- und Geschichtsliebhabern Bestand hat. Und damit umso besser zu der von Bitterkeit und Zaudern geprägten Zeit passt, in welcher der Ausspruch gefallen sein soll: im Jahr 49 vor Christi.

Am 10. Jänner vor 2068 Jahren haderte Gaius Iulius Caesar im Norden Italiens mit sich. Er stand im wörtlichen Sinne an einer Weggabelung: Sein ehemaliger Verbündeter Gnaeus Pompeius Magnus hatte sich im römischen Senat zu einem seiner ärgsten Widersacher gewandelt. Caesar selbst, kilometerweit von der Hauptstadt des Reiches entfernt, für welches er (ebenso wie für die Tilgung seiner finanziellen Schulden und zur Befriedigung seines Ehrgeizes) als Feldherr in zahlreiche Schlachten gezogen war, wollte dorthin zurück. Er wollte sich der Wahl zum Konsul stellen und hatte darum angesucht, in seiner Abwesenheit zum Kandidaten ernannt zu werden. Eine Bitte, die der Senat ablehnte und stattdessen sein Erscheinen verlangte.

Ebenfalls nicht angenommen wurde Caesars Angebot, auf Gallien (gerade hatte er die Helvetier, Belger und Veneter besiegt, war mit zwei Legionen nach Britannien übergesetzt und hatte den Gallierfürsten Vercingetorix bezwungen) zu verzichten, sofern er zwei seiner Legionen und Illyrien behalten dürfte. Die Senatoren fällten stattdessen folgenden Beschluss: Caesar habe die Stadt ohne seine Armee zu betreten. Mehr noch: er habe sein Heer zu entlassen und seine Befehlsgewalt für Gallien und Illyrien abzugeben. Der Feldherr fürchtete einen Hinterhalt: Sollten ihm seine Konkurrenten etwas antun wollen, sie hätten leichtes Spiel.

"Weinend ... flehte er seine Soldaten an"

Als der 50-Jährige mit seinen Männern, Soldaten der 13. Zwillingslegion, der Legio XIII Gemina, nun am 10. Jänner 49. vor Christus das Ufer des Rubikon erreichte, war die Zeit einer Entscheidung angebrochen. Der kleine Fluss markierte die Grenze zwischen der Provinz Gallia Cisalpina und Italien. "Wenn wir die kleine Brücke überquert haben, wird alles mit Waffengewalt erledigt werden müssen", legte der Geschichtsschreiber Sueton Caesar eineinhalb Jahrhunderte später in den Mund. Gemeint war: Sollte er den Fluss mit seinen Truppen überqueren, würde dies einer Kriegserklärung auf Rom gleichkommen und er selbst zum Staatsfeind erklärt werden.

Da, so heißt es bei Sueton weiter, sei dem Feldherren ein riesenhafter Mann mit einer Flöte erschienen, der zum Angriff geblasen habe - und der Entschluss des Staatsmannes sei gereift: "Ich muss dorthin gehen, wohin mich die Vorzeichen der Götter und die Ungerechtigkeit meiner Feinde rufen. Der Würfel ist geworfen worden", wird er zitiert. Bevor er diesen Schritt aber wagte, "flehte er seine Soldaten, weinend und sich seine Kleider vom Leib reißend, um ihre Gefolgschaft an". Und die Soldaten folgten ihm - und lösten damit einen mehrjährigen, blutigen Bürgerkrieg aus.

Im Ringen um die Macht im Staat setzte Caesar fortan auf Tempo: Eiligst marschierte er mit seinen Truppen auf Rom. Die Rechnung ging auf: Die Senatoren flohen - Pompeius gar bis nach Griechenland. Die beiden amtierenden Konsuln konnten hingegen nicht entkommen. Caesar ließ sie festnehmen und einsperren, um sie letztlich doch ziehen zu lassen. Sich selbst ließ er zum Diktator auf zehn Jahre ernennen, obgleich das römische Gesetz die Diktatur als eine auf sechs Monate befristete Notlösung ansah.

Fehlende Worte, verschwundener Fluss?

Keine Milde zeigte der Herrscher, der selbst nie Kaiser war (obgleich sein Name zum Bestandteil des Titels aller späteren Herrscher des römischen Kaiserreichs wurde, das 27 vor Christus entstehen sollte), sodann auch im Umgang mit der Staatskasse: Zehntausende Goldbarren und noch mehr Sesterzen plünderte er daraus, um mit seinen Truppen nach Spanien zu ziehen. Bald darauf nach Albanien und in die griechische Stadt Pharsalos, wo sich eine der schlimmsten und wohl auch die entscheidende Schlacht des bis 45 vor Christus dauernden Bürgerkrieges ereignen sollte. Pompeius floh indes weiter nach Ägypten, wohin im Caesar nacheilte - um zu spät zu kommen. Als Caesar im Oktober 48 vor Christus eintraf, wurde ihm der Kopf seines Rivalen präsentiert.

Zurück nach Rom kehrte Caesar erst 45 vor Christus, um sich mit noch mehr Macht auszustatten: Er ließ sich zum Diktator auf Lebenszeit küren. Ein Schritt, der den Hass seiner Feinde weiter anwachsen und sie ein Komplott schmieden ließ, welches in den Iden des März des Folgejahres seine Ausführung finden sollte: Am 15. März 44 vor Christus wurde Caesar im Senatsgebäude mit 23 Dolchstichen ermordet. Eine Szene, von der, wie von der Überquerung des Rubikon, ein Satz überliefert ist: "Kaì su téknon", habe er gesagt, "auch du mein Sohn". Gerichtet gewesen sei der Ausspruch an einen seiner Mörder, Marcus Iunius Brutus. Allerdings: Historiker vermuten heute, dass Caesars Wunden zu stark gewesen waren, als dass der Tyrann noch hätte sprechen können. Fest steht hingegen, wo Caesar seinen letzten Atemzug tat: am Marmorboden zu Fußen der Statue seines Widersachers Pompeius.

Übrigens: Ein Ort ist bis heute umstritten, um nicht zu sagen, verschwunden. Jene Stelle nämlich, an der Caesar den Rubikon überschritten haben soll bzw. der Rubikon höchst selbst. Das Gebiet, in dem er sich befand, war zu Caesars Zeit nämlich ein Sumpfgebiet, weshalb sich der Lauf des Flusses über die Jahrhunderte hinweg verschoben haben dürfte. Der Streit hingegen blieb. Den Anspruch darauf, das Original zu sein, erheben heute zum einen der 17.000-Einwohner Ort Savignano, zum anderen das etwa zehn Kilometer nordwestlich von dort gelegene Calisese und zum dritten das unweit gelegene Santarcangelo. Wer recht hat, wird dort regelmäßig an Stammtischen diskutiert. Denn auch ein Würfel, der Aufschluss geben könnte, ist nie gefunden worden.

Caesar beim Übertreten des Rubikon. Illustration aus dem 19. Jahrhundert.
Caesar beim Übertreten des Rubikon. Illustration aus dem 19. Jahrhundert. (c) imago/Leemage

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