Opposition war sein Leben

Peter Kreisky: ein sanftmütiger, aber beharrlicher Marxist.

Er war ein Grenzgänger, den der Tod recht bald abberief: Peter Kreisky, studierter Soziologe, gestorben auf der Insel Mallorca 2010 im Alter von 66 Jahren. Einige Weggefährten des politischen Menschen Kreisky, der zeit seines Lebens im Schatten des übermächtigen Vaters stehen musste, haben nun seine Gedanken nachgezeichnet. So erzählt der Kommunist Walter Baier, dass eine linke Freundesrunde zum 100. Geburtstag Bruno Kreiskys (Jänner 2011) eine Gegenveranstaltung zu den pompösen Jubelfeiern der SPÖ geplant hat, nur Peter Kreiskys Tod hat das gestoppt. Denn Vater und Sohn trennte trotz familiärer Liebe ein tiefer Graben. Er verlief zwischen dem pragmatischen Vater und den „Söhnen“, die eine geeinte europäische Linke anstrebten. Dazu sollte es nicht kommen.

Manche Befunde sind durch die Ereignisse seit einer Woche Makulatur geworden. Geblieben sind bei Kreiskys Mitstreitern die offensive Friedensarbeit und die prononcierte Frauenpolitik. Peter Kreisky war beides ein Herzensanliegen, das er mit den ihm zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln durchzusetzen versuchte: Stets waren die Satteltaschen seines Fahrrads mit selbstverfassten Flugblättern und Broschüren gefüllt, die er unbeirrt an Umstehende verteilte. Er scheute sich nicht, von den Genossen, die es allesamt zu Pöstchen gebracht hatten, mitleidig belächelt zu werden. Hilfsbereit gegen jedermann, sanft, manchmal leise resigniert, so erinnert man sich an ihn, den Jahrgangsfreund.

Eva Brenner (Hg.):
„Den Bruch wagen. Texte von und über Peter Kreisky“
Mandelbaum-Verlag, 253 Seiten, 24 Euro

Jugendstil in der Stadt

Von der Wiener Handelskammer zum Konzerthaus, vom Döblinger Steg zum Döblinger Friedhof führt uns ein wunderbarer Bildband, der uns manch unbeachteten Jugendstil wieder vor Augen führt. Eine Schlüsselrolle spielte um die Jahrhundertwende die Kachelfabrik der Gebrüder Schwadron, die mit nahezu allen Architekten zusammenarbeiteten. Eine Unzahl von Wiener Wohnhäusern wird heute noch von den originellen Mosaiken geschmückt. Jahrelang hatte man sie nicht beachtet, die Firma wurde 1938 „arisiert“, die Familie konnte in die USA flüchten, erst vor wenigen Jahren entsann man sich wieder der Schönheit dieser Arbeiten. Allein das Entrée des einstigen Ausstellungslokals am Franz-Josefs-Kai entführt uns in eine andere Welt.

Wenige Häuser nur entfernt erhebt sich der Palast der Wiener Wirtschaftskammer. Lang waren sich die Beamten und Funktionäre der Kammer gar nicht bewusst, welch prächtiges Ringstraßengebäude sie täglich betraten. Interessanterweise stand – und steht – dieser Büropalast immer im Schatten des benachbarten P.S.K.-Gebäudes Otto Wagners.

Nahezu schändlich ist hingegen die Nachbarschaft zur U-Bahn-Station „Stadtpark“. Die Bausünde namens Hotel Intercont kann aber nicht von der Schönheit des prunkvollen „Wienfluss-Portals“ ablenken, das Wagner und Joseph Maria Olbrich gestaltet haben. Vielleicht findet sich eine künftige Generation, die den unpassenden Zweckbau Carl Appels aus den Sechzigerjahren wieder wegräumt.

Ein spannendes Buch, ein wunderbares. Man kommt ins Schwärmen.

Peter Schubert:
„Unbekannter Jugendstil in Wien“
Kral-Verlag Berndorf, 192 Seiten Großformat, 26,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.