Humanitäres Engagement

Gabriele Mantl: Wo geflüchtete Menschen Gehör finden

(c) Diakonie
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Humanitäres Engagement. Ankyra bietet Hilfe nach Extremtraumatisierung: Psychotherapeutin Gabriele Mantl leitet das Zentrum, das gedolmetschte Therapie anbietet.

Die Flucht kann einem Menschen alles nehmen, was Sicherheit gab oder gar identitätsstiftend war. „Alles, was anderen Menschen in einer psychischen Krise Halt gibt, ist für diese Menschen weg – etwa die Familie“, sagt Gabriele Mantl. „Das können wir uns gar nicht vorstellen.“ Seit 2013 leitet die Psychotherapeutin Ankyra – Zentrum für interkulturelle Therapie, das Teil des Diakonie-Flüchtlingsdienstes ist.

In der Innsbrucker Einrichtung finden pro Jahr rund 400 Asylwerber und Migranten Hilfe nach Extremtraumatisierung. „Die Therapie ist traumaspezifisch und kulturspezifisch“, so Mantl. Sie ist nominiert in der Kategorie Humanitäres Engagement. Bei Sprachbarrieren stellt Ankyra Übersetzer zur Seite: „Dass bei uns Dolmetscher dabei sind, ist wichtig, um das Leiden formulieren zu können.“

Hilfe bei der Gesundheitsvorsorge

Der Zugang zur Gesundheitsvorsorge für geflüchtete Menschen sei generell schwer. „Es hieß bis vor Kurzem in Kliniken oft, man solle ein Familienmitglied zum Übersetzen mitbringen“, sagt Mantl. Dann musste etwa das Kind die Probleme übersetzen, die mit der Erkrankung der Mutter zusammenhängen. „Das geht nicht.“ Auch zwei Mediziner arbeiten bei Ankyra. „Wir sind eine organisatorische Zentrale.“ Die Klienten können das Therapieangebot kostenlos nutzen. EU-Mittel, der Bund, das Land Tirol, Kostenrückersätze von der Gebietskrankenkasse und die Stadt Innsbruck finanzieren das Zentrum.

„Unsere Klienten wurden in ihrem Leben mehrfach traumatisiert“, so Mantl. Sowohl im Heimatland, als auch auf der Flucht. „Dann kommen sie in ein Land, in dem es viel Hetze gegen Fremde gibt. Das macht es nicht leicht, Boden zu finden.“ Das Nichtwissen, wie der Asylantrag ausfalle, belaste. „Deshalb kommen Menschen am häufigsten – weil sie irgendwann die Hoffnung verlieren, durch die sie vorher den Rest aushalten konnten.“ Die Arbeit nach Feierabend im Büro zu lassen sei für Mantl nicht immer einfach. „Ja, man nimmt die Geschichten mit nach Hause“, sagt sie. „Es hilft, wenn man Rückmeldung bekommt, dass man jemandem helfen konnte.“

Sinnvolle Arbeit

Auch Supervision und der Austausch im Team seien wichtig. „Genauso wie die Selbstfürsorge. Ich singe im Chor oder gehe Pilze sammeln, um den Kopf ausrauchen zu lassen“, sagt sie. „Manchmal weiß ich nicht, was die schwierigere Aufgabe ist: die Einrichtung nach außen zu rechtfertigen oder die Schicksale mit nach Hause zu nehmen.“
Schon während des Studiums (Sport und Religionspädagogik) begann Mantl, mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten. „Bald erschien mir diese Arbeit sinnvoller als mein Studium“, erzählt sie. Später arbeitete sie unter anderem mit Suchtkranken und Obdachlosen und machte die Ausbildung zur Psychotherapeutin.

Zur Arbeit mit geflüchteten Menschen kam Mantl dann über ein Wohnhaus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Bereut hat sie diese Entscheidung nie: „Es ist ein spezielles Setting, das sehr herausfordert, aber auch sehr beglückt, wenn es funktioniert.“

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