Kulturerbe

Monika Sommer: Die besonnene Geschichtensammlerin

(c) Julia Stix
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Monika Sommer leitet mit kreativem Geschick und beachtlicher Ausdauer das Haus der Geschichte – während die Zukunft des Museums noch völlig offen ist.

Leicht hat es die Direktorin des einzigen Zeitgeschichtemuseums in Wien ja nicht. Vor bald einem Jahr wurde auf kleinem Raum in der Neuen Burg das Haus der Geschichte Österreich eröffnet. Visionen für die Zukunft gibt es viele, auch Monika Sommer hat einige. Aber der politische Wille schien zuletzt nicht allzu ausgeprägt zu sein, das Museum aus seinem provisorischen Anfangszustand zu erlösen. Mit kreativem Geschick und beachtlicher Ausdauer leitet Sommer seitdem ein Museum, für das weder die grundsätzlichsten Rahmenbedingungen, noch Budgetfragen oder der Standort langfristig geklärt sind.

Ein Museum also, das eigentlich erst ein Vorgeschmack auf jenes Museum, ist, das es einmal werden könnte. Was im Haus keinen Platz findet, wird interaktiv auf der Webseite abgewickelt; auch beim Sammeln – wofür kaum Geld da ist – findet die gebürtige Linzerin (Jahrgang 1974) kreative Wege: „Ich kenne kein anderes Museum, wo man private Bilder hochladen kann, die dann direkt in die Ausstellung eingespielt werden.“ Objekte, die von den bedeutenden Momenten der jüngsten Geschichte erzählen, holt sich Sommer, während sie quasi noch warm sind: Schilder von den „Fridays for Future“-Protesten etwa, „I love Ibiza“-T-Shirts oder Wahlkampfplakate der Parteien. Auch das Londoner Victoria and Albert Museum setzt auf diese Sammlungsstrategie, das „Rapid Response Collecting“.

Es passt zu Sommers Philosophie: Sie will nicht nur die Ergebnisse gesellschaftlicher Entwicklungen ausstellen, sondern den Prozess. Sie will zeigen, dass der Mensch mitgestalten kann, was später Geschichte sein wird. Eine rein nationale Sichtweise lehnt sie ab, sie ermutigt dazu, verschiedene Blickwinkel einzunehmen und den eigenen Standpunkt immer wieder zu hinterfragen.

Ihr eigenes Geschichtsinteresse wurde im Bauernhaus ihrer Großeltern geweckt: Dieses war von den Nazis beschlagnahmt worden, nach Kriegsende zogen die Amerikaner ein, rundherum wurden Barackenlager für sudetendeutsche Flüchtlinge aufgestellt. „Der Bauernhof hat sich zu einem kleinen Lagerzentrum entwickelt. Diese Spuren haben sich im Haus eingegraben“, erzählt Sommer. Als Jugendliche fand sie etwa einen Löffel, in den „US Army“ eingestanzt war, später schrieb sie ihre Diplomarbeit über das Zusammenleben unterschiedlicher Flüchtlinge im Barackenlager.

Sachlich und überlegt

Sommer spricht ruhig und überlegt, stets bleibt sie sachlich. Sie findet deutliche Worte, um autoritäre Tendenzen abzulehnen, in tagespolitischen Fragen hält sie sich sonst zurück: „Unsere Rolle ist das Dokumentieren des Zeitgeschehens, durch historische Forschung Analysen anzubieten – aber immer mit einem bestimmten Abstand.“ So behauptet sie sich zwischen wechselnden Ministern, die dem Haus stets ihren eigenen Stempel aufdrücken wollten, zwischen politischem Hickhack und ideologischen Debatten – und kämpft dabei unermüdlich darum, der Politik klare Bekenntnisse zum Museum abzuringen, das für sie ein Herzensprojekt ist.

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