Austria'20

Reingard Grabherr: Wiener Antikörpertests erhellen die Dunkelziffer

Reingard Grabherr
Reingard Grabherr(c) Siegfried Huss
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Biotechnologie. Die Molekularbiologin Reingard Grabherr entwickelte in Rekordzeit die Grundlagen für einen Immuntest, der Coronavirus-Antikörper im Blut zuverlässig findet.

So ein gemeinsames Ziel, bei dem jeder an einem Strang zieht, es kein Konkurrenzdenken gibt und keiner fragt, wer das alles zahlen soll: Das habe ich noch nie so erlebt wie jetzt, als wir einen Antikörpertest entwickeln sollten“, sagt Reingard Grabherr, Leiterin des Departments für Biotechnologie. Sie forscht an der Boku Wien an Zellsystemen, die Produkte für uns herstellen: Seien es Enzyme, die Schimmelpilzgifte in Nahrung und Futter abbauen sollen, Arzneien, die perfekt ins Zielgewebe passen, oder Proteine, die an der Oberfläche von Viren vorkommen. Letztere waren im Frühling 2020 viel wert, denn plötzlich war ein unbekanntes Virus da, das man schnell identifizieren und erforschen musste. Die Rede ist von Sars-CoV2, dem Coronavirus.

Kaum hatte ihr früherer Arbeitskollege Florian Krammer bei einem Interview die Expertise von Grabherrs Team erwähnt und ihr zugleich die labortechnischen Werkzeuge zur Herstellung der Sars-CoV2-Proteine mit der Post aus den USA geschickt, begann ein Hype, der das Wiener Team bis heute in Atem hält: In den Boku-Laboren in der Döblinger Muthgasse entstand in kürzester Zeit ein zellenbasiertes Produktionsverfahren, das jene „Spikes“ der Coronavirus-Oberfläche herstellt, die heute nicht nur jedes Kind zeichnen kann, sondern die auch bei Bluttests notwendig sind, um Antikörper gegen dieses Virus zu detektieren. „Wir haben sehr schnell ein Konsortium gebildet mit Immunologen der Vet-Med-Uni und Med-Uni Wien, um diese serologischen Tests zu verbessern und validieren“, sagt Grabherr. Der Test, der nun von der Firma Technoclone produziert und vertrieben wird, zeigt mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit, ob man eine Covid-Infektion hatte und nun immun dagegen ist.

„Unsere Expertise galt bisher vor allem dem Influenzavirus“, sagt Grabherr, Professorin für Molekulare Biotechnologie, die in der Kategorie Forschung bei der Austria 20 nominiert ist. Ihr Team feilt immer weiter an den Herstellungsprozessen von Virusbestandteilen: Wie erhält man saubere Oberflächenproteine – in der korrekten 3-D-Struktur gefaltet, damit die im Labor gezüchteten Proteine identisch mit den originalen sind? Die exakten Kopien sind notwendig für zuverlässige Antikörpertests und Impfungen. „Und für die Forschung“, betont Grabherr: „Um die Vorgänge in den Zellen zu untersuchen.“ Als Produktionsmaschinen dienen Zellsysteme: Im Falle der Influenza- und Sars-CoV2-Proteine sind es Schmetterling-Eizellen, die sich im Labor unendlich vermehren und durch virale DNA dazu gebracht werden, die gewünschten Stoffe auszuscheiden.

Grabherr verbrachte fast ihre gesamte Laufbahn an der Boku mit einem dreijährigen Aufenthalt an der University of Nebraska in Lincoln, USA. „Dort war mein Forschungsprojekt zu Beginn auf der falschen Fährte. Dabei habe ich gelernt, nicht aufzugeben. Und dass man oft Umwege braucht, um größere Erkenntnisse zu gewinnen.“ In ihrer Freizeit geht Grabherr schwimmen, laufen, radfahren – oder ins Theater. Wenn sie nicht gerade ins Nähen, Einkochen oder Sockenstricken vertieft ist. (vers)

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